Rund 20 Männer wandern seit 2004 Jahr für Jahr auf dem Jakobsweg
Im Wald erklingen Männerstimmen. Auf einer Lichtung steht eine Gruppe von vielleicht 20 Wanderern mit einem gelbfarbenen Ordner. Sie singen und beten. Die Pilgergruppe aus Blaufelden, Gerabronn und Schrozberg ist wieder unterwegs.
Wer pilgert, ist meist zu Fuß auf dem Weg zu einem heiligen Ort – bei Jakobswanderern ist es das Grab des Jakobus in Nordspanien. 2004 fragte der damalige evangelische Pfarrer von Gerabronn, Markus Herb, den katholischen Pastoralreferenten Felix Edelmann aus Blaufelden, ob er sich einmal pro Jahr eine ökumenische Pilgerwanderung an einem Wochenende vorstellen könnte. „Das fand ich sofort klasse, weil ich damit meine Berufung und mein Hobby miteinander verbinden konnte“, erzählt der katholische Geistliche. Das Angebot sollte nur Männer ansprechen und bewusst „niederschwellig“ sein. Das Wandern steht im Mittelpunkt, nicht die religiösen Besinnungen. „Das verträgt sich aber gut mit meinem Frömmigkeitsbegriff.“ So starteten sie im Oktober 2004 das Abenteuer gemeinsam mit der ersten Etappe von Maulach über Rosenberg bis nach Ellwangen. Mit dabei waren von Anfang an Männer zwischen 30 und 70 Jahren mit den unterschiedlichsten Berufen aus Blaufelden, Gerabronn und Schrozberg. Der Kern der Gruppe ist bei den zwischenzeitlich
16 Wanderwochenenden gleich geblieben, ab und zu kommen neue Teilnehmer hinzu, andere verlassen die Gruppe.
Von Beginn an war für die Männer klar, dass sie nie gemeinsam das eigentliche Ziel der Jakobswanderer, Santiago de Compostela, erreichen werden. Die Anfahrt für nur ein Wochenende würde immer aufwändiger und länger. Trotzdem wollten sie sich an eine Pilgerweisheit halten: „Das Ziel gibt dem Weg erst einen Sinn.“ So liefen die rund
20 Pilger zunächst auf dem fränkisch-schwäbischen Weg über Ulm an den Bodensee. Als sie dort das erste Mal 2009 ankamen, begannen sie 2010 mit dem bayerisch-schwäbischen Weg von Schwabach über Augsburg ebenfalls an den Bodensee. Sei 2016 sind sie jetzt auf dem thüringisch-fränkischen Weg von Erfurt nach Hohenlohe unterwegs. 2020 wollen sie mit dem nächsten Streckenabschnitt in der Heimat ankommen.
Für den derzeitigen evangelischen Pfarrer von Gerabronn, Simon Englert, ist das gemeinsame Pilgern in der Gruppe „jedes Jahr aufs Neue ein Stück vom Weg des ganzen Lebens: wunderschön und anstrengend, warten und reden, hoffen und beten, rasten und feiern“. Und genau das schätzen die Pilger an ihrem Wochenende und freuen sich das ganze Jahr auf die gemeinsamen Tage Ende September im Zeichen der Muschel: „Für mich ist es eine Auszeit vom Alltag“, sagt der eine, andere ergänzen: „Wir sehen uns sonst das ganze Jahr nicht, aber haben während des Wanderns immer gute Gespräche.“ – „Bei der Wanderung kann ich zu mir selbst finden.“ Für einen weiteren Teilnehmer sind es die geistlichen Besinnungen, die ihn weiterbringen. Jede Strecke, jedes Wochenende steht unter einem anderen Thema, zu dem die beiden Geistlichen Gedanken vorbereiten: beispielsweise „Was wir zum Leben brauchen“, „Unterwegs sein“, „Zeichen und Symbole“ oder wie dieses Jahr „Mutmach-Texte“. Dazu wird gemeinsam gesungen und gebetet.
Den Reiz einer Pilgerwanderung in einer großen Gruppe machen auch die spontanen, nicht geplanten und immer wieder überraschenden Begegnungen am Wegesrand aus: Auf der Etappe von Abenberg nach Gunzenhausen 2010 regnete es den ganzen Tag. Für das Mittagessen war kein geeigneter Platz in Sicht. Als die Wanderer durch einen kleinen Ort kamen, sahen sie eine große, überdachte Veranda. Kurzerhand klingelten sie und fragten, ob sie den trockenen Ort für die Brotzeit nutzen dürften. Die Besitzer sagten spontan ja, luden die durchnässten Männer ein und kochten ihnen sogar noch Kaffee. Es ergab sich ein interessanter Austausch über die eigenen Wander- und Pilgererfahrungen des fränkischen Ehepaars.
2014 fiel die Männergruppe in der Kirche der Benediktinerabtei Ottobeuren einer Frau auf. Sie sprach sie an. Als sich herausstellte, dass die Wanderer auf dem Jakobsweg unterwegs sind, lud die Frau die Pilger für das darauffolgende Jahr zu einer Einkehr ein – weil der Weg direkt an ihrem Haus vorbeiführte. Zwölf Monate später (nach einem Anruf, ob die Einladung noch gelte), wurden die Wanderer von dem Ehepaar in dem umgebauten alten Schulhaus üppig bewirtet und bekamen eine Kostprobe Allgäuer Hausmusik.
Für das nächste Jahr steht ein Umbruch an: Pastoralreferent Felix Edelmann geht diesen Oktober in den Ruhestand und pausiert zunächst einmal. Wer den katholischen Teil in der Gruppe übernimmt, ist noch nicht klar. Fest steht jedoch, dass die Männer wieder Ende September 2020 gemeinsam unterwegs sein werden. th