Dem Anbau und dem Vertrieb von streng ökologischem Wein hat sich Guido Seyerle verschrieben. Die besonderen Flaschen gehen von Amlishagen in alle Welt.
Eine sehr intensive dunkle Farbe, kräftige Aromen nach Beeren und ein Hauch von Erde – das sind die ersten Eindrücke des Rotweins, der im Glas auf den Genuss wartet. Guido Seyerle hat den Tropfen aus vier verschiedenen Weinen kreiert und ihm den philosophischen Namen „Johann W.“ gegeben.
Der Wein ist eine Erinnerung an seine Wanderung, die ihn 2006 auf Goethes Spuren nach Italien führte: Auf 28 Etappen ist der Genussjournalist alleine von München nach Venedig gelaufen und hat auf der Tour eine Vielzahl an Eindrücken aus der Natur, der Kultur sowie vom Essen und Trinken erhalten. Vor allem die unterschiedlichen Weine, die er auf seiner Tour kennengelernt hat, veränderten sein Leben: 1968 in der Nähe von Stuttgart geboren, lernte er ab 1988 zunächst das Gärtnerhandwerk und studierte anschließend Garten- und Landschaftsbau. „Ich sehe mich trotzdem nach wie vor als Handwerker.“ Und als solcher war er lange Jahre im Galabau tätig. Er kam durch seinen Vater schon früh mit dem ökologischen und naturnahen Anbau von Obst und Gemüse in Kontakt.
Mit der Zeit verlagerte sich sein beruflicher Schwerpunkt allerdings ins Journalistische und sein Wohnort nach Rosengarten: Er schrieb für Zeitschriften und Tageszeitungen (auch für diese Zeitung) unter anderem über Sport, über Naturerlebnisse und immer wieder über die verschiedensten Formen des Genießens: Unter anderem portraitierte er 180 Weingüter. Nicht nur aus dieser Artikel-Serie wurde ein Buch, weitere Veröffentlichungen zum Thema folgten. Er beschäftigte sich immer mehr mit der Erzeugung des edlen Rebensafts und bildete sich in einem 21-monatigen, berufsbegleitenden Kurs zum „German Wine Professional“ weiter. Dabei lernte er die Eigenschaften der unterschiedlichen Rebsorten und die typischen Lagen der verschiedenen deutschen Weinanbauregionen kennen. Dazu gehörte auch der Besuch von zahlreichen Kellereien, die Diskussion mit Experten und erfahrenen Erzeugern. Anfang 2020 stellte er sein Wissen in einer zweitägigen, schriftlichen und mündlichen Prüfung unter Beweis. Damit gehört der 52-Jährige zu den 16 ersten Absolventinnen und Absolventen des neuen Lehrgangs.
Mit diesem Wissen wollte der „Biomensch“ (Seyerle über sich selbst) seinen eigenen Wein ganz nach dem Motto des Dichterfürsten Goethe „Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken“ an- und ausbauen. Schon vor einigen Jahren versuchte er sich in der Region und pflanzte Reben am Tafelberg in Schwäbisch Hall – die Fläche übernahmen nun Hobbywinzer. 2020 kaufte er dann „für wenig Geld“ vier Hektar Weinberg in Bühl-Altschweier (Baden) und übernahm das in der Nähe liegende Weingut Sternenberg. Mit den alten Reben konnte er sofort sein neues Konzept umsetzen: streng ökologischer Anbau und keinerlei Einsatz von Spritzmitteln, die wegen der Pilzkrankheiten trotzdem erlaubt sind. Die extremen Hanglagen werden manuell bearbeitet, was einen zusätzlichen Aufwand bedeutet, aber die Natur wieder zurück in den Weinberg bringt. Nützlinge sollen sich um die Schädlinge kümmern. „Es ist ein hartes Brot“, reüssiert er nach dem ersten Jahr. Mit dem Anbau von neuen, pilzresistenten Sorten (sogenannte PIWI- oder Pionier-Reben) schafft er es, das Problem mit dem Mehltau in den Griff zu bekommen. Der erste Jahrgang liegt schon in den Fässern und wird in diesen Tagen auf bis zu 25.000 Flaschen gezogen.
Parallel zum Weinanbau beschäftigt sich „Winemaker Seyerle“ (Eigenwerbung) mit dem Ausbau und der Vermarktung von Weinen. Aus dem sortenreinen Traubenmost, den er bisher von Kollegen aus dem Anbaugebiet Württemberg bezieht, stellt er Cuvées zusammen. Da er für die Trauben einen fairen Preis bezahlt, gilt er bei manchen Erzeugern als „Weinbergretter“: Dadurch bekommen sie ihre zusätzliche Arbeit bezahlt. Neben kräftigen, roten Tropfen liegt der Schwerpunkt auf reinsortigen Weißweinen: In Flaschen mit der Bezeichnung „Frühlingsgarten“ oder „Kräutergarten“ versucht der Profi den Duft von Gänseblümchen oder Krokussen und mediterranen, wilden Kräuter einzufangen – und es klappt.
Der Vertrieb seiner Weine ist in einer Halle der ehemaligen Gärtnerei in Gerabronn-Amlishagen untergebracht. „Die Nähe zum Autobahnkreuz Feuchtwangen-Crailsheim macht die Lage für mich interessant.“ Von dort gehen die Bestellungen der individuellen Pakete für Privatkunden auf den Postweg. Guido Seyerle stellt seine Logistik aber auch anderen Erzeugern zu Verfügung und nutzt sie für Handelsware. Er ist mit seinen Weinen bei verschiedenen Einkaufsverbänden gelistet und versorgt sie von Amlishagen aus.
Der Sommelier legt großen Wert darauf, dass seine Weine nicht besser, sondern anders seien. Sie seien ein Angebot für Genießer. Guido Seyerle, der sich selbst als „rebellisch“ beschreibt, will zusammen mit Gleichgesinnten den Weinanbau in Deutschland umkrempeln. Ihm schwebt vor, dass neben den Nützlingen auch wieder Schafe in die Steilhänge kommen und so ein „richtiges Ökosystem“ entstehen soll. In seinem Weinberg in Bühl hat er einen Anfang gemacht. th
Bild: Die Arbeit in den steilen Weinbergen ist hart: Guido Seyerle setzt auf die manuelle Bearbeitung seiner Flächen. Foto: privat