Ebbes aus Hohenlohe

„Anerkennung für Arbeit“

Die typische Hohenloher Weide mit Obstbäumen ist in die Liste des deutschen Immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden. Viele Menschen in der Region freut das. 

Die Mitglieder des Nabu (Naturschutzbund Deutschland), des FÖS (Förderkreis regionaler Streuobstbau Hohenlohe Franken) und des Vereins Hochstamm Deutschland sehen sich in ihrer jahrelangen Arbeit bestätigt: Die ökologisch wertvollen und das Landschaftsbild prägenden Streuobstwiesen in der Region sind kürzlich von der deutschen Kultusministerkonferenz zum immateriellen Kulturerbe erklärt worden.

„Das freut mich, dass wir das geschafft haben“, erklärt Ulrich Hartlieb, „Mister Streuobstwiese“ des Nabu und des FÖS aus Kirchberg. Er war 1988 Mitgründer der Vermarktungsinitiative, die als zweiter Verein dieser Art den Erhalt der Streuobstwiesen unterstützt: Besitzer der rund 2000 Apfelbäume auf den naturbelassenen Weiden in der Region können ihre ausgereiften Früchte über die Initiative zu Apfelmost verarbeiten lassen – sie erhalten eine über dem normalen Saisonpreis liegende Vergütung für ihre zusätzliche Arbeit. Der Saft wird unter dem Namen „Grünspecht“ vermarktet. Die rund 200 Mitglieder liefern jeden Herbst durchschnittlich 240 Tonnen Äpfel an. „Damit fördern wir den Erhalt der Streuostwiesen“, betont Hartmut Himmelein, stellvertretender Vorsitzender des FÖS aus Gerabronn. „Wenn die Besitzer mehr Geld für ihr Ost bekommen, lassen sie die Bäume gerne stehen.“ Selbstverständlich dürfen die Wiesen nicht künstlich gedüngt und die Bäume nicht gespritzt werden. Damit werden alte Baumkulturen erhalten und auch neue angelegt: So hat der Nabu bei Gerabronn vor Jahren mit Geldern für Ausgleichmaßnahmen eine Wiese außerhalb des Orts mit verschiedenen Obstbäumen bepflanzt.

Streuobstlandschaften mit hochstämmigen, großkronigen Obstbäumen sind aus einer landwirtschaftlich-kulturellen Entwicklung entstanden und damit direkt an menschliches Wissen gebunden. Anlage, Bewirtschaftung und Pflege von Streuobstwiesen, das Züchten von Obstsorten und die Ernte sowie Verarbeitung des Obstes beruhen auf einem umfangreichen Erfahrungsschatz. Zum Kult wird die Streuobstwiese aber erst dann, wenn zum Wissen, Forschen und Pflegen auch Feste, Riten und Bräuche hinzukommen. Dies alles sind Voraussetzungen für die Aufnahme in die Liste des immateriellen Kulturerbes.

Für Ulrich Hartlieb und Hartmut Himmelein ist die regionale Vernetzung wichtig. Sie arbeiten seit Jahren mit der Fränkischen Moststraße rund um den Hesselberg im Kreis Ansbach zusammen. Durch das touristische Projekt können sich Erzeuger präsentieren und ihre Waren unter dem Namen „Hesselberger“ vermarkten. Die Straße reicht bis nach Kreßberg und zu Reinhold Kett, der aus dem wertvollen Apfelsaft Fruchtgummis in Herzform herstellen ließ und somit auf eine andere Art Werbung für die Streuobstwiesen machte.

Neben dem Nabu und dem FÖS hat vor allem der Verein Hochstamm Deutschland das Bewerbungsverfahren 2019 für die Aufnahme in die deutsche Liste angestoßen. Sie wurden von 1,3 Millionen Menschen aus ganz Deutschland unterstützt. Der Verein, mit dem Ziel die Streuobstwiesen zu erhalten, hat seinen Sitz in Rohrdorf bei Nagold, die Geschäftsstelle ist aber in Riedbach. Für deren Leiter, Hannes Bürckmann, ist es wichtig, dass die vielen ehrenamtlich Tätigen durch die Listung „Anerkennung für ihre Arbeit“ erhalten. Die mehr als 100.000 Hektar Streuobstwiesen alleine in Baden-Württemberg wollen gepflegt, die Bäume beschnitten und das Obst geerntet werden. Die Menschen könnten stolz sein, betont Hannes Bürckmann, denn „sie tragen dazu bei, einen Teil dieses Kulturerbes zu erhalten und weiterzutragen“. Er hat schon aus Gesprächen und Rückmeldungen erfahren, dass diese Würdigung der Arbeit ankommt und einen Motivationsschub mit sich bringt.

Nach der Aufnahme der Streuobstwiese in die deutsche Liste arbeitet der Verein Hochstamm Deutschland an der europäischen Anerkennung und an der Zulassung als immaterielles Weltkulturerbe der Unesco, der Kulturorganisation der Vereinten Nationen. Damit würden die typischen süddeutschen Obstwiesen in einem Atemzug mit dem Tango, der chinesischen Kalligrafie, dem byzantinischen Gesang und dem Kunsthandwerk in Togo genannt. th

Foto: Auf einer Streuobstwiese – jetzt im ausgehenden Winter noch sehr unscheinbar – mit einem Insektenhotel (im Hintergrund) wachsen die Äpfel, die zu einem naturbelassenen Saft verarbeitet werden.

Zu einem Eintrag in die Liste der immateriellen Kulturgüter gehört auch eine Verwurzelung im alltäglichen Leben, wie etwa der Hohenloher Mostkult: Arbeit, Anerkennung, Stolz und Genuss finden bei der Mostprämierung am Kirchberger Februarmarkt ihren Höhepunkt. Da dieses Jahr die 35. Auflage Corona-bedingt nicht stattfinden konnte, ein Foto von 2016: Die fünf Gewinner erhielten ein Obstbäumchen und die rund 70 Zuschauer bestätigten die NABU-Werbung „Mosttrinker sind Naturschützer“. Foto: Hartmut Volk

Ähnliche Beiträge:

Der Berg ruft

Redaktion

Besonderes Ehrgefühl stand im Weg

Redaktion

Mit viel Zeit zum Schmuckstück

Redaktion