Nach vielen Atemwegsinfektionen bei Säuglingen und Kleinkindern in den letzten Monaten, sinken derzeit die Fallzahlen. Ein Blick in eine Arztpraxis und Kinderklinik.
„Aufgrund der hohen Anzahl an Atemwegsinfekten ist die Lage an den Kinderkliniken im Land angespannt. Um die Versorgung weiter gewährleisten zu können, müssen die Personaluntergrenzen bis auf Weiteres nicht eingehalten werden“, schrieb das baden-württembergische Gesundheitsministerium Anfang Dezember 2022. Laut dem Robert-Koch-Institut in Berlin habe die Erkältungswelle in dieser Saison schon im Oktober begonnen.
Das bestätigt auch Dr. Beate Kern, Kinderärztin im Praxicum in Kirchberg: „Bereits Ende September 2022 mussten wir eine Zunahme von Erkrankungsfällen mit Atemwegsinfektionen in unserer Praxis feststellen. Hierbei handelte es sich vorwiegend um Säuglinge und Kleinkinder.“ Die kleinen Patienten zeigten teilweise schwere Symptome mit langem nächtlichen Husten, Fieber und Trinkschwäche. Da es sich in dieser Zeit kaum mehr um Corona-Infektionen handelte, diagnostizierte die Ärztin vermehrt Respiratorische Synzytial-Viren (RSV). Die Infektionen treten weltweit vor allem in den Wintermonaten auf, wobei der Höhepunkt in den letzten Jahren meist im Januar und Februar war.
„Problematisch ist es, dass es kaum eine zuverlässige, wirksame Therapie gibt“, erklärt die Fachfrau. „Die Medizinwelt ist sich einig, dass letztendlich supportive, unterstützende Maßnahmen wie Sauerstoff und Flüssigkeitsgaben über Infusionen und viel Geduld benötigt werden.“ Meist zieht sich die Krankheit über zwei bis drei Wochen hin. Die Gabe von Antibiotika helfe nicht, es sei denn, es komme noch eine bakterielle Erkrankung hinzu. Dr. Beate Kern: „Wir hatten in den Monaten Oktober bis Dezember eine sehr große Zahl an Säuglingen, teilweise noch keine drei Monate alt, die wir aus diesem Grund täglich in unserer Praxis kontrollieren mussten, mit der Frage, ob sie noch zu Hause bei den Eltern bleiben können, oder ob wir sie stationär einweisen müssen.“
Viele Kinder wurden schließlich wegen eines schweren Verlaufs der Krankheit ins Klinikum gebracht. „Wir behandelten in dieser Zeit viele Kinder und Säuglinge und Kleinkinder auf unserer Intensivstation“, schildert Dr. Bernd-Ulrich Keck, Oberarzt in der Kinderklinik am Diakoneo-Diak-Klinikum in Schwäbisch Hall die damalige Situation. „Insbesondere das Zusammentreffen verschiedener Infektionswellen hat uns an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht.“ Neben schweren RSV-Infektionen sind dort Kinder mit Grippe (Influenza) und Corona betreut worden. „Die Aufnahmekapazitäten waren zweitweise voll ausgelastet und manchmal auch überschritten, sodass Kinder auch in zusätzlichen Krankenzimmern untergebracht werden mussten.“ In dieser Zeit konnten „die üblichen Pflegepersonalmengen nicht immer eingehalten werden“.
„Problematisch ist es, dass es kaum eine zuverlässige, wirksame Therapie gibt.“
Nach einer leichten Abschwächung im Januar würden derzeit die Fallzahlen wieder nach oben gehen: „Aktuell ist es eine Mischung aus normalen winterlichen Atemwegsinfekten und Magen-Darm-Infektionen“, analysiert die Fachärztin. In der Haller Kinderklinik habe sich dagegen der Ansturm beruhigt. „Wir verzeichnen ein für Wintermonate übliches Aufkommen. Nach wie vor werden Kinder mit RSV, Covid und Influenza-Infektion behandelt. Die Anzahl der Patienten bewegt sich in einem Rahmen, den wir gut bewältigen können“, erläutert Dr. Bernd-Ulrich Keck. „Die Infektionswellen bei RSV und Influenza sind langsam am Abklingen. Wir gehen nicht davon aus, dass in den nächsten Wochen mit einer Verschärfung der Situation zu rechnen ist.“ Dr. Beate Kern erwartet „noch bis Ende April eine gesteigerte Infektaktivität in unseren Kinderarztpraxen“.
Neben den hohen Fallzahlen erschwere die schlechte Verfügbarkeit von Medikamenten für Kinder die Arbeit, berichtet die Kinderärztin. „Das führt dazu, dass wir nicht alle notwendigen Medikamente zur Verfügung haben. Teilweise müssen wir auf Alternativen und auf Hausmittel umsteigen.“ th
Was tun bei Erkältungen?
Die Kinderärztin Dr. Beate Kern gibt einige wichtige Hinweise bei Atemwegserkrankungen: „Nur zum Kinderarzt bei wirklich eindeutigen und schweren Infektsymptomen: hohes Fieber, erschwerte Atmung, Flüssigkeitsmangel, Schmerzen und vor allem bei reduziertem Allgemeinbefinden.“ Der Besuch beim Arzt nur zur Beruhigung der Eltern führe dazu, dass die Fachleute die wirklich kranken Kinder manchmal erst am späten Abend oder am nächsten Tag behandeln können.„Geduld haben bei normalen, unkomplizierten Infekten.“
Eine Bronchitis dauert im Durchschnitt drei Wochen. Muntere Kleinkinder dürfen auch mal den ganzen Winter eine Rotznase oder leichten Husten haben, erklärt die Fachärztin.
Außerdem sollten Eltern medizinische Informationen nur aus verlässlichen Quellen beziehen, also nicht von fragwürdigen Seiten aus dem Internet. „Meiner Erfahrung nach ist ein gutes, seriöses Kinderkrankheitenbuch für unsichere Eltern deutlich hilfreicher“, unterstreicht die Medizinerin.