Ebbes aus Hohenlohe

Offenheit für elektronische Medien fehlt

Die Gerabronner Lehrerin Mandy Schütze kämpft seit vielen Jahren für eine Digitalisierung des Unterrichts. Erst eine Pandemie musste die Entwicklung beschleunigen. 

Die Seiten der „Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet“ (ZUM) werden bis zu 150.000-mal am Tag angeklickt. Die Gerabronnerin Mandy Schütze ist seit 2015 Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins und kämpft für die Digitalisierung des Unterrichts.

Zu einem der Angebote gehört die Wikipedia-Plattform für Kinder: Das „Klexikon“ erklärt in kindgerechter Sprache aktuelle Themen („Warum hat man die Leute in der Türkei nicht früh genug vor dem Erdbeben gewarnt?“), weist auf beliebte Artikel hin (Zehn Gebote, Organe, Römisches Reich, Äquator, Erde, Mittelalter, Erster und Zweiter Weltkrieg, Zeitzone, Hunde und Jahreszeiten) und greift sich einzelne Punkte heraus („Wusstest du das schon?“). „Das ist unser Klick-König, echt krass“, kommentiert sie den Erfolg.

Im Verein arbeiten neben den fünf Vorständen rund 300 Menschen ehrenamtlich an digitalen Inhalten für den Unterricht mit. Dazu kommen noch bezahlte Fachleute, die sich um die Technik kümmern, damit die Materialien jederzeit verfügbar sind. Die Idee des Vereins ist es, dass Lehrerinnen und Lehrer die von ihnen erarbeiteten elektronischen Inhalte auf die verschiedenen Plattformen hochladen und sie Kolleginnen und Kollegen im ganzen Land kostenlos zur Verfügung stellen. „Bei uns sind auch die Urheberrechte ganz wichtig“, betont Mandy Schütze, „das müssen alle lernen“. Das heißt, in dem digitalen Handwerkszeug dürfen nur Bilder verwendet werden, die entweder selbst aufgenommen wurden (mit Einverständnis der Abgelichteten) oder die frei im Internet verfügbar sind. Frei bedeutet, dass sie ohne Lizenzgebühren eingesetzt werden dürfen. Wer die Hilfsmittel nutzt und sie ergänzt, sollte sie dann wieder der Allgemeinheit zur Verfügung stellen – so die Übereinkunft der „Creative Commons“-Lizenz.

„Während meiner ersten Elternzeit 2005 habe ich mich schon mit dem Thema beschäftigt und bin auf die ZUM gestoßen“, erzählt die Lehrerin am Gerabronner Gymnasium. „Wir haben uns ausgetauscht und festgestellt, dass wir die gleichen Ideen haben.“ Das Internet muss für den Unterricht nutzbar gemacht werden. Zu Beginn des neuen Mediums herrschte bei vielen Kolleginnen und Kollegen noch die Meinung vor, dass weder das World Wide Web noch die Zugangsgeräte etwas an einer Schule zu suchen hätten. Doch diese Einstellung habe sich in der Zwischenzeit geändert, allerdings sollte das Internet nur Mittel zum Zweck sein und sinnvoll eingesetzt werden. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie und der monatelange Distanzunterricht haben zu einem Umdenken geführt und die digitalen Medien beflügelt. „Ich nutze die Arbeitshilfen gerne für den Einstieg in ein neues Thema, zum gemeinsamen Erarbeiten oder zur Zusammenfassung der Inhalte“, erklärt die 43-jährige Ethik- und Geografielehrerin. Die Kinder und Jugendlichen erlernen ein Thema in dem für sie richtigen Tempo selbst. Durch den Einsatz des Tablets im Unterricht könne sie Blickkontakt halten und zeige der Klasse nicht den Rücken. Wobei Mandy Schütze auch analoge Medien nutzt, „ein Tafelaufschrieb oder eine Korkwand sind immer verfügbar“.

Ein elektronisches Werkzeug ist das ZUM-Pad: Die Schülerinnen und Schüler nutzen es, um gemeinsam Texte zu erstellen („kollaborativ“) oder Informationen zu teilen. Die gesammelten Ideen können von den Mitschülerinnen und Mitschülern sowie von den Lehrerinnen und Lehrern ganz leicht ergänzt und überarbeitet werden – auf Papier wäre das sehr kompliziert und umständlich. Ein weiterer Vorteil der digitalen Medien ist, dass alle darauf jederzeit Zugriff haben, zum Beispiel, wenn eine Klassenarbeit ansteht. „Es ist wie früher der Zettelkasten, in dem alle Ideen und Textstellen für ein Thema gesammelt wurden“, erläutert Mandy Schütze.

Während die in Baden-Württemberg genutzte Lernplattform Moodle ein geschlossenes System ist, kann über eine offene Plattform die ganze Welt auf die Inhalte zugreifen. „Ich nutze eine solche im Ethik-Unterricht für Blog-Einträge“, macht sie klar. Ihre Schülerinnen und Schüler sollen lernen, sich öffentlich zu äußern und auf andere Meinungen sachlich zu reagieren. Die Jugendlichen stellen Texte in einen Blog und sie müssen sich mit den Ideen auseinandersetzen und gekonnt argumentieren. „Dabei entstehen teilweise kluge Gedanken.“ Als ein erwünschter Nebeneffekt können sich die jungen Menschen besser in den Sozialen Medien bewegen und lernen deren Funktionsweise kennen.

Seitdem Mandy Schütze im Schuldienst tätig ist, habe sich die Einstellung der Lehrerinnen und Lehrer im Allgemeinen zur Digitalisierung wenig geändert – im Gegensatz zum Gerabronner Gymnasium. „Es fehlt weiterhin bei vielen die Bereitschaft und die Offenheit für die neuen Materialien“, erklärt sie. „Und auch die Einstellung, eigene Fehler zuzugeben.“ Beiden Seiten können voneinander profitieren, denn Schülerinnen und Schüler nutzen die Medien gerne für neue Zwecke. Wobei das nicht grundsätzlich mit dem Alter zu tun hat, „pensionierte Lehrerinnen und Lehrer stellen ihre Materialien auf unserer Plattform zur allgemeinen Nutzung ein“. Durch die Pandemie sei viel passiert, ein Umdenken habe eingesetzt. „Jetzt hätten wir die Chance, auf diese positiven Erfahrungen aufzubauen“, hofft die Vordenkerin. „Leider ist dieser Schwung aber nicht geblieben.“ th

www.zum.de
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www.ethikblogs.de

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