Ebbes aus Hohenlohe

Nicht nur die vergessene Hefe

Gabriele Heffels und Manfred Glemser stehen für den geplanten Dorfladen in Wiesenbach.

Dorfladen von Wiesenbach soll täglichen Bedarf sicherstellen

In vielen Ortschaften auf dem Land ist der Wandel schon längst vollzogen: Die Einkaufsmöglichkeiten nehmen immer stärker ab und die Einwohner müssen in die nächstgrößere Gemeinde fahren, wenn sie ihren täglichen Bedarf decken möchten. Die Wiesenbacher wollen einen anderen Weg gehen und planen einen Dorfladen.

Der Blaufeldener Teilort mit seinen über 1000 Einwohnern machte, wie viele anderen Gemeinden, einen langsamen Strukturwandel durch: In einer Metzgerei und einem kleinen Laden konnten die Bewohner ihre Einkäufe erledigen – ohne ein Auto zu nutzen. Nachdem das Geschäft aufgab, reduzierten sich die Möglichkeiten. Als 2017 dann als Letztes die Metzgerei ihre Pforten für immer schloss, gab es im Ortschaftsrat Überlegungen, wie die Situation geändert werden könnte und man arbeitete ein Konzept aus.
Der tägliche Einkauf ist das eine, der Zusammenhalt in einem Dorf das andere. Da es in Wiesenbach auch keine Gastwirtschaften mehr gibt, fehlt der „soziale Kitt“, wie es Ortsvorsteher Manfred Glemser ausdrückt. Es finde zu wenig Austausch statt, die Einwohner lebten nebeneinander her. Zwar gebe es genügend Festle, die das gemeinschaftliche Leben in dem kleinen Ort bereichern, aber der tägliche Austausch sei damit nicht möglich, klagt der 66-jährige pensionierte Lehrer.
Durch ein Förderprogramm unterstützt, begleiten nun Fachleute den Prozess in Wiesenbach, unter anderem ein Unternehmensberater. Zunächst stand erst einmal die Belieferung einer solchen dezentralen Einkaufsmöglichkeit im Mittelpunkt: Da im Handel vor allem die Quantität im Vordergrund steht, musste ein Partner gefunden werden, der ein gutes Sortiment und kleine Bestellmengen zu einem akzeptablen Preis anbietet. Doch das war kein Problem: In der Zwischenzeit haben sich viele Lieferanten auf kleinere Läden eingestellt und versorgen sie mit einem breiten Angebot. Es soll durch die Produkte von lokalen Erzeugern ergänzt werden.
Um die Geselligkeit zu unterstützen, soll neben dem Laden ein Tagescafé den Austausch der Bürger ermöglichen. Eltern mit ihren Kindern sind dabei ebenso willkommen wie ältere Einwohner. Und um den Zugang so einfach wie möglich zu gestalten, ist auch ein Hol- und Bringservice für die Kunden sowie ein Lieferservice für die Einkäufe angedacht. Denn: „Wir können nicht von dem vergessenen Hefewürfel leben, sondern sind auf die Wocheneinkäufe der Mitglieder und Kunden angewiesen“, erklärt Manfred Glemser das Konzept.
In einem nächsten Schritt suchte die Dorfladeninitiative nach einer geeigneten Immobilie in Wiesenbach. Sie sollte von den Räumlichkeiten her passen und auch finanzierbar sein. Verschiedene Gebäude wurden begutachtet und wieder verworfen, sogar über einen Neubau wurde nachgedacht. Schließlich fokussierten sich die Initiatoren auf die ehemalige Volksbank. Das angebaute Lager könnte in einen Laden umgebaut werden. Auf der anderen Seite hat dieser Standort den Reiz, dass die ursprüngliche Raiffeisenbank für die Versorgung der Bevölkerung gegründet wurde. Die Idee, dass der Dorfladen im Besitz der Einwohner bleibt, kann normalerweise über eine Genossenschaft umgesetzt werden. Da dieses rechtliche Konstrukt aber für das geplante Vorhaben zu umständlich war, überlegten sich die Organisatoren eine andere Rechtsform: Eine Unternehmensgesellschaft (UG, haftungsbeschränkt) wurde gegründet. Die Mitglieder wählten einen Beirat, der das Unternehmen kontrolliert. Wie in einer Genossenschaft hat jedes Mitglied nur eine Stimme, unabhängig von der Anzahl der Anteile. Um die ersten Investitionen zu tätigen, wurden mindestens 50000 Euro benötigt
(250 Anteile à 200 Euro) – jeder Zeichner haftet dabei nur in der Höhe seiner Einlagen. Damit das Projekt breit aufgestellt ist, sollten mehr als 120 Menschen hinter dem Dorfladen stehen, „denn es reicht nicht, den Laden zu gründen, er soll ja auch über Jahre wirtschaftlich betrieben werden können“, betont Manfred Glemser.
Bei der Gründungsversammlung im November 2019 waren schließlich 153 Mitglieder an Bord. Das ehemalige Bankgebäude wurde von acht Mitgliedern gekauft und wird dem Dorfladen überlassen. Später, wenn die ersten Schulden abgetragen sind, übernimmt die UG dann die Immobilie.
Im August sollen die Umbauten des ehemaligen Lagers beginnen: Zunächst wird das Dach abgeräumt, isoliert und wieder neu gedeckt. Der Rohbau wird gedämmt, erhält einen neuen Fußboden und neue Fenster. „Wir planen für die Arbeiten mit etwa zwei Jahren“, erklärt der Ortsvorsteher. „Je nachdem, wie wir wegen der Hygienebeschränkungen vorankommen.“ Viele der Arbeiten sollen von den Mitgliedern ehrenamtlich ausgeführt werden. Später unterstützen sie die Festangestellten im Laden und Café bei den täglichen Aufgaben und organisieren weiterhin Veranstaltungen zur zusätzlichen Finanzierung des neuen gesellschaftlichen Zentrums. Das Projekt soll langfristig tief bei den Wiesenbachern verankert werden. th

Das ehemalige Lager der Volksbank (hinterer Gebäudeteil) soll zum neuen gesellschaftlichen Zentrum werden.

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