Ebbes aus Hohenlohe

Kulinarische und kulturelle Höhepunkte erleben

Nach zwei Jahren ohne persönliche Kontakte reiste eine Gerabronner Delegation nach Nouan-le-Fuzelier in Frankreich. Von Thorsten Hiller

Die Gerabronner freuten sich auf der gut 830 Kilometer langen Reise in die französische Partnergemeinde Nouan-le-Fuzelier auf ein Wiedersehen – je näher der Bus der Ortschaft südlich von Orleans kam, desto mehr stieg die Spannung. Vor Ort entlud sich die Freude in Jubelrufen und herzlichen Umarmungen. Beide Seiten waren begeistert, dass nach zwei Jahren ohne persönliche Kontakte die „Jumelage“ endlich wieder gefeiert werden konnte.

Dass bei der Begrüßung nicht nur der Himmel in der Sologne weinte, sondern auch die eine oder andere Freudenträne geflossen ist, zeigt wie familiär das Partnerschaftstreffen im 56. Jahr ist. Patrick Lunet, der – zumindest für die Gerabronner – neue Bürgermeister von Nouan-le-Fuzelier fasste die Situation zusammen: „Sie bringen trotz des Regens die Sonne im Herzen mit.“ Er betonte die Wichtigkeit der Partnerschaft und freute sich, die Gerabronnerinnen und Gerabronner endlich persönlich kennenzulernen. Seit seiner Wahl 2020 haben sich die beiden Partnerschaftskomitees und die Bürgermeister nur per Videokonferenzen austauschen können. Heidegret Meyer, die als erste stellvertretende Bürgermeisterin Christian Mauch vertrat, erwartete einige „wunderbare Tage“ bei „liebevollen Gastgebern“. Sie war sich unter großem Applaus sicher, dass „nichts die Freundschaft zwischen Gerabronn und Nouan-le-Fuzelier erschüttern kann, keine Wartezeit, keine Krankheit und auch keine Despoten“. Der Gerabronner Bürgermeister reiste wegen des Dünsbacher Hauptstraßenfests erst am zweiten Tag separat an. Birgit Wankmüller, die Vorsitzende des Gerabronner Partnerschaftsausschusses, war von dem herzlichen Empfang emotional so sehr berührt, dass sie zunächst keine Worte fand, „die Jumelage ist ein solch wertvoller Teil in meinem Leben; ich hoffe, dass ich das alles zurückgeben kann, was wir hier erleben“.

Im Gegensatz zu anderen Städtepartnerschaften hat sich die Jumelage zwischen Gerabronn und Nouan-le-Fuzelier im Laufe der Jahre in ein großes Familientreffen gewandelt. Die Besucherinnen und Besucher kommen jedes Jahr nicht etwa in Hotels unter, sondern werden in den Privatwohnungen beherbergt – so können die Gäste die jeweiligen Lebensweisen hautnah erleben. Manche Familien nehmen schon in der dritten Generation an dem Austausch teil. Bereits die Anfahrt gerät zu einem großen „Verwandtschaftstreffen“, bei dem die Freundschaften unter den Gerabronnerinnen und Gerabronnern weiter vertieft werden: Hier bringen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf den aktuellen Stand in den einzelnen Familien. Bei der Jumelage bleibt somit auch fast nichts privat – besondere Aktivitäten sprechen sich schnell herum und werden nach mehrmaligem Erzählen fast zu Legenden.

Neben dem Kennenlernen der jeweiligen Lebensarten und den kulinarischen Höhepunkten, darf auch die Kultur nicht vergessen werden: Dieses Jahr reisten die französischen Gastgeber mit ihren deutschen Besucherinnen und Besuchern mit drei Bussen ins 60 Kilometer entfernte Blois an der Loire, dem jahrelangen Sitz der französischen Könige. Auf der Fahrt konnten sie das waldreiche Gebiet bestaunen, das damals wie heute ein riesiges Jagdgebiet mit Hirschen, Rehen, Wildschweinen, Fasanen und Enten ist. In den Wäldern versteckt findet sich nicht nur das berühmte Jagdschloss Chambord sondern auch viele andere Schlösschen und Anwesen.

Zu einem der wichtigsten Punkte des diesjährigen Austausches gehörte die Aufnahme von zwei Gerabronnern in die Bruderschaft „La Grand Table du Fuzelien“: Elisabeth Pollak-Wilske und Christian Mauch können sich jetzt „Edle Dame“ beziehungsweise „Ritter“ der Bruderschaft nennen und müssen den Zweck der Vereinigung in der Öffentlichkeit vertreten. Die „Fuzelien“ ist eine französische Wurstspezialität, die am ehesten mit einer groben, mit vielen Kräutern verfeinerten Fleischwurst vergleichbar ist. Die Gemeinschaft wurde 1979 gegründet, um die Wurst „an allen Orten und bei allen Gelegenheiten zu verkosten und bekannt zu machen“, wie es im Schwur heißt, den alle Mitglieder leisten müssen.

Neben dem Rahmenprogramm und den sportlichen Aktivitäten – es wurde Tischtennis und Badminton gespielt –, durfte die Geselligkeit nicht fehlen: An den drei Abenden in Frankreich gab es neben einem landestypischen Essen mit regionalen Spezialitäten und dem passenden Wein viel Musik: An einem Abend spielte eine vierköpfige Hardrockband, am nächsten eine fünfköpfige Kapelle, die vor allen internationale Hits der 1980er und 1990er Jahre im Repertoire hatte. Zum Abschluss legte der aus Deutschland mitgereiste DJ Glen Rösch auf. Bei dieser Gelegenheit wurden die Partnerschaftsgeschenke ausgetauscht und eine Einladung für das nächste Treffen 2023 in Deutschland ausgesprochen. Bürgermeister Patrick Lunet dankte für die gute Atmosphäre des Treffens und hoffte, dass die Partnerschaft eine „Perle bleibt, die wir weiterentwickeln können“. So haben sich in Frankreich neue Familien am Treffen beteiligt und nahmen deutsche Gäste auf. Sie werden im nächsten Jahr mit nach Deutschland reisen. „Das ist eine Freundschaft, die Europa heute und morgen ausmacht“, betonte Lunet. Gerabronns Bürgermeister Christian Mauch ergänzte: „Wenn beide Seiten weiterhin an der Partnerschaft interessiert sind, bleibt sie lebendig.“ Das sei auf jeden Fall in Nouan und Gerabronn so. „Gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, ein Zeichen für den Frieden zu setzen.“

Mit einem neuen Projekt wollen die beiden Gemeinden noch enger zusammenarbeiten: Ab 2023 können Jugendliche und junge Erwachsene in der Ferienzeit ein Praktikum im jeweils anderen Land machen. Damit soll das Ferienprogramm sowohl in Frankreich als auch in Deutschland unterstützt und die Teilnahme an der Partnerschaft beworben werden. th

Bild: Die beiden Bürgermeister Christian Mauch (links) und Patrick Lunet tranken einen Schnaps aus dem „Zwitscherkasten“, dem deutschen Gastgeschenk, und vertieften so die Freundschaft zwischen Gerabronn und Nouan-le-Fuzielier. Foto: Jochen Frey

Die Bruderschaft „La Grand Table du Fuzelien“ nahm Elisabeth Pollak-Wilske und Christian Mauch in ihre Reihen auf. Links der neue Bürgermeister von Nouan-le-Fuzelier, Patrick Lunet. Foto: Andreas Wankmüller

Ähnliche Beiträge:

Ein Tandem fürs Leben

Redaktion

Was macht die deutsche Lebensart aus?

Redaktion

Aufregung um einen Ast

Redaktion