Der Schrozberger Adrian Weiß radelte von Deutschland nach Argentinien und kann von seiner Tour4Life viel erzählen.
Das Fahrrad – ein Tandem der Marke Pino – ist schon weit herumgekommen: Es besuchte Indien, hat die Seidenstraße hinter sich gelassen und war im südlichen Afrika unterwegs. „Ich habe gesehen, welche Touren ein Freund damit gemacht hat und wollte ein ähnliches Projekt angehen“, erzählt der 33-Jährige Adrian Weiß. Der begeisterte Pfadfinder war 2010 als Freiwilliger des Weltkirchlichen Friedensdienstes des Bundes der deutschen katholischen Jugend (BDKJ) in Argentinien. Die Freundinnen und Freunde, die er damals kennenlernte, wollte er 2018 noch einmal mit dem Rad besuchen.
Nach dem Studium der Wirtschaftsinformatik und drei Jahren im Beruf wollte er die „Komfortzone“ (Weiß) verlassen, kündigte seinen Job und bereitete sich auf die Reise vor. „Je öfters man mal ’rausgeht, desto einfacher ist es, seine Heimat zu verlassen“, ist seine Überzeugung. Zunächst musste das Tandem, das er sich von seinem Freund geliehen hatte, wieder auf Vordermann gebracht werden. Die Idee der Tour4Life („Reise fürs Leben“) übernahm er ebenfalls von seinem Bekannten: Auf dem vorderen, liegenden Sitz des Tandems wollte Adrian Weiß Menschen mitnehmen, an ihrem Leben teilhaben und so viel von Land und Leuten kennenlernen. Durch die Konstruktion des Pino ist die Kommunikation mit den Reisebegleiterinnen und -begleitern leichter möglich als auf einem klassischen Tandem mit zwei hintereinander angeordneten Sitzen.
Im August 2018 ging es in Schrozberg los: Zunächst begleitete ihn sein Vater bis an die deutsch-französische Grenze, später sein Bruder durch Frankreich. Das Ziel war der Hafen von Valencia, wo er als Passagier ein Containerschiff Richtung New York bestieg. Im Gegensatz zu einer Flugreise oder einer Kreuzfahrt musste sich der 33-Jährige selbst um die Einreiseformalitäten in die USA kümmern – ein langwieriger und nicht immer auf den ersten Anlauf erfolgreicher Prozess. Auf der anderen Seite des Atlantiks angekommen, startete er mit seiner eigentlichen Tour4Life und fand auch gleich bis Washington eine Mitfahrerin.
Sein Gepäck war für die Reise sehr bewusst ausgewählt: Neben seinen wenigen persönlichen Kleidungsstücken hatte er weitere Ausrüstung für zwei Personen dabei: zwei Fahrradhelme, zwei Isomatten, ein Zelt für Zwei und eine entsprechende Küchenutensilien. So waren er und seine Begleiterinnen und Begleiter unabhängig und die Mitfahrer konnten sich auch spontan dazu entscheiden, einen Teil der Tour mit ihm zurückzulegen.
Durch die USA ging es weiter nach Mittelamerika und ganz Südamerika bis in den Süden von Argentinien. Einer der vielen Höhepunkte der Reise war die Durchquerung der Salar de Uyuni in Bolivien, der größten Salzwüste der Welt. Auf über 3600 Höhenmeter gelegen, herrschen extreme Bedingungen: Die Temperaturen schwanken zwischen 15 Grad am Tag und minus zwölf Grad in der Nacht, „das passiert bei Sonnenuntergang sehr schnell, fast übergangslos“, erzählt der Radler.
In Mittel- und Südamerika ist das Fahrrad ein gängiges Transportmittel, um von einem Ort zum anderen zu kommen. Entsprechend ist auch die Infrastruktur: Zwar sind auf den Straßen mal mehr und mal weniger Autos unterwegs, aber die Radler kommen in „Casas del Ciclista“ (Häuser für Radfahrer) unter. Meist werden diese von Privatleuten betrieben und bieten eine günstige Übernachtungsmöglichkeit. Adrian Weiß traf dort Gleichgesinnte und es herrschte eine schöne Atmosphäre zum Austausch von Geschichten. Nicht nur an diesen Orten fand er Menschen, die wie er auf dem Rad ein Ziel hatten.
Als er nach 330 Tagen und17.200 Kilometern auf seiner „Reise für das Leben, für interkulturelle Kommunikation und den Frieden in der Welt“ (Weiß) wieder nach Deutschland zurückkehrte (diesmal mit dem Flugzeug), war er um viele Erfahrungen reicher. Besonders beeindruckt war er von den Gesprächen auf dem Weg, den „verrückten Lebensgeschichten“, die ihm erzählt wurden. Er hat gelernt, „mit sehr wenig, sehr weit zu kommen“, wie er betont. In dieser Zeit hat der 33-Jährige „sich auf das Wesentliche konzentriert, das hat sich auch auf mein Leben nach der Tour ausgewirkt“.
Wer so viel Rad gefahren ist, kann davon nicht genug bekommen. Mit seiner Frau Eva brach er kurz nach seiner Ankunft in Deutschland im Herbst 2019 zu einer Reise über Ungarn nach Kroatien auf. Dann aber nicht mit dem Pino-Tandem, das er wieder an seinen Besitzer zurückgab. Mit dem gebraucht gekauften Tourenrad ging es danach nach Neuseeland. Dort wurden die beiden von Corona-Pandemie gestoppt und mussten im Frühjahr 2020 wieder die Rückreise antreten. Weitere Touren durch Deutschland im Sommer 2020 und eine Alpenüberquerung im Sommer 2021 folgten. Seit nunmehr einem Jahr und drei Monaten ist Adrian Weiß wieder als IT-Spezialist tätig – im Homeoffice. th