Eine Autotüre wird kräftig zugeschlagen: „In Germany we don´t say (In Deutschland sagen wir nicht): ,Könntest du die Türe bitte das nächste Mal leiser schließen.‘ Wir sagen laut und deutlich: ,Das ist kein Panzer!‘.”
Wenn Ausländer nach Deutschland kommen, dann haben sie bestimmte Erwartungen und oft auch Vorurteile. Den Einheimischen fallen diese Dinge einfach nicht mehr auf, und sie hinterfragen sie nicht, denn sie sind seit ihrer Kindheit damit vertraut. Der Crailsheimer Liam Carpenter nimmt sich als gebürtiger Brite der deutschen Eigenarten an und überspitzt sie. Die sympathischen, kleinen Filmchen, die dabei entstehen, postet er auf TikTok, Instagram und Youtube. Das Spektrum seiner Themen ist breit: Es reicht vom deutschen Umweltschutz und den allgemeinen Umgangsformen, geht über das Pfandsystem, selbstverständlich das Steuerrecht und die Pünktlichkeit der Bahn bis hin zu den Besonderheiten der deutschen Sprache und dem liebsten Kind der Deutschen, dem Auto.
Liam Carpenter zeigte in seinem ersten Clip, wie er sich als nicht Muttersprachler nach jedem Telefonat auf deutsch fühlt: zittrig, nervös und unbeholfen – er kann nicht einmal ein Glas Wasser ruhig halten. Und er fragt in die Runde: „Kennt das noch jemand?“ Offensichtlich ist das vielen bekannt: „Als ich im Februar 2021 den Clip postete wurde dieser innerhalb kürzester Zeit über 100.000-mal aufgerufen“, erzählt der 27-Jährige. Seine spezielle Sichtweise und seine Selbstironie kommen seitdem an: Auf TikTok folgen ihm inzwischen 1,7 Millionen Menschen, auf Instagram 1,2 Millionen und auf Youtube hat er 644.000 Abonnenten – jede Generation hat ein anderes Lieblingsmedium.
Der Sport führte den Briten 2014 nach Deutschland: Liam Carpenter spielte professionell Basketball und hatte sein erstes Engagement in München. Schon 2015 wechselte er zu den Crailsheim Merlins. Nach Zwischenspielen in Bernau bei Berlin und im britischen Plymouth kam er wieder zurück nach Hohenlohe. Derzeit kommt er nur noch wenig zum Basketballspielen, sein neuer Job als Influencer fordert ihn komplett – als Zuschauer verfolgt er nach wie vor viele Spiele seiner ehemaligen Mannschaft in der Arena Hohenlohe.
Ein Deutscher sammelt akribisch seine leeren Kunststoffflaschen, um sie zurückzugeben. Ein Brite will seine Flasche einfach wegwerfen. Der Deutsche hechtet in Zeitlupe zu der Flasche und rettet sie vor der Mülltonne.
Die Themen für die Videos, die Liam Carpenter zusammen mit seiner Frau Valérie im eigenen, kleinen Studio produziert, findet er schnell: Das deutsche Pfandsystem ist beispielsweise weltweit einzigartig und jeder Ausländer, der hier leben will, muss es kennen. In den unterschiedlichsten Varianten setzt der Influencer das Thema um. In seinen Clips tauchen immer wieder die gleichen stereotypen Charaktere auf, es gibt kleine Serien: Der Deutsche im grauen Jogginganzug, mit schwarzer Kappe und mit umgeschnallter Gürteltasche. Mit rotem Shirt und Teetasse der „Britische Idiot“, der es einfach nicht kapiert. Der grimmig dreinschauende, alte Mann sowie die aufgetakelte Frau. Der 27-jährige spielt sie selbstverständlich alle selbst. So ist jeder Zuschauerin und jedem Zuschauer sofort klar, wer welche Eigenheiten hat.
Seit 2019 hat Liam Carpenter die deutsche Staatsbürgerschaft. Einige Zeit später hat er die Verleihung der Urkunde in seinem eigenen Stil in einem Clip umgesetzt: Neben der Urkunde hat er – wie bei der Armee – einen Stapel mit den wichtigsten Utensilien bekommen: den grauen Jogginganzug, die schwarze Kappe, die Gürteltasche, die weißen Socken und natürlich die dazugehörigen Sandalen. Viele Videos, in denen er als scheinbar humorloser Deutscher zeigt, wie das Leben in der Bundesrepublik richtig funktioniert, enden mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen: Damit zeigt Liam Carpenter, dass es nicht ganz so schlimm ist, wie es scheint, und dass „wir Deutschen“ doch Humor haben.
Anhand der Reaktionen auf seine Videos und Anhand der Auswertungen kann er sehen, woher die User kommen: Bei TikTok kommen sie zu 70 Prozent aus Deutschland, bei Instagram bis zu 60 Prozent aus den USA oder aus Großbritannien. Auf manchen Film bekommt er über 100 Reaktionen, die er beantworten sollte. Der Influencer bedient in den Clips scheinbar zunächst den Erwartungshaltungen und die Vorurteile der Besucherinnen und Besucher und löst sie dann unerwartet auf.
Liam Carpenter nimmt seinen Job ernst: Er steht jeden Tag früh auf, trainiert und setzt sich an den Schreibtisch. Sein Ziel ist es, jeden Tag einen Clip zu posten. Manche Themen fallen ihm schnell ein, und die Umsetzung dauert etwas länger, bei anderen ist es umgekehrt. Eine Idee kommt ihm spontan, wenn er unterwegs ist. An anderen Tagen sitzt er länger vor einem leeren Blatt Papier: „Ich sammle ständig neue Ideen, auch im Urlaub und stehe dadurch unter Druck.“ Er holt sich gerne Anregungen aus den Sozialen Medien und versucht einen Trend zu bedienen, der gerade beliebt ist. „Mir ist die Qualität wichtig: Idee, Realisierung, Aufnahme und Schnitt müssen perfekt sein“, betont er. Die verwendete Technik spielt nur eine untergeordnete Rolle, „meine besten Videos sind per Smartphone entstanden“. Wenn er an den Themen arbeitet, ist es ihm wichtig, dass er sich nicht selbst kopiert, damit die Videos jeweils einzigartig sind. „Meine Herangehensweise ist sehr speziell, ich bewege mich in einer Nische. Aber ich habe viele neue Ideen und bleibe kreativ.“
Trotz seiner Reichweite kann er sich in Crailsheim unbehelligt bewegen. Bei einem Besuch in Berlin wurde er allerdings von mehreren jungen Leuten erkannt und sie wollten ein Selfie mit ihm machen: „Das hat mich überrascht und gefreut.“ Er sei aber eher schüchtern und scheut die Öffentlichkeit: „Die Situation in Berlin hat mich doch etwas überfordert.“ Die Reaktion der Menschen habe aber gezeigt, dass er wirklich eine große Bekanntheit habe.
Seit Liam Carpenter erfolgreich ist, kann er von seinen Clips leben: Allerdings ist es kein Selbstläufer, er muss jeden Tag dranblieben. Mithilfe einer Agentur vermarktet er seine Sichtweise, und werbetreibende Firmen kommen auf ihn zu: So zeigt er beispielsweise für einen Stromversorger, was Nachhaltigkeit und Energiesparen bedeutet – etwa die deutsche Eigenheit des Stoßlüftens. Oder er nimmt für einen Senfhersteller das schlechte Wetter auf die Schippe: „In Deutschland sagen wir dazu Grillwetter.“ Dabei taucht er eine braun gebratene Wurst genüsslich in den Senf und lässt sie sich schmecken. „Ich nehme nur die Aufträge an, die zu mir und meiner Art, Filme zu machen, passen“, erklärt er. Schließlich habe er bei seinen Fans einen Ruf zu verlieren.
Der 27-Jährige räumt ein, dass der Erfolg auf den Sozialen Medien nicht von allein kommt und viel Arbeit bedeutet: „Einfach nur vor der Kamera tanzen, reicht nicht.“ Es ist eine gute Idee gefragt, die auch über eine längere Strecke trägt und die mit Leidenschaft umgesetzt wird. Außerdem muss man authentisch bleiben, wer sich verstellt, wird nicht erfolgreich.
Neben seinen kurzen Clips, die 30 bis 40 Sekunden lang sind, arbeitet er an einem Konzept, das auch über fünf Minuten funktioniert, „das könnte im Fernsehen umgesetzt werden“. Dann würde ein Team hinter ihm stehen und gemeinsam würden die Inhalte entwickelt und realisiert. „Da bin ich aber noch am Überlegen, denn meine Ideen sind schon sehr speziell, und ich habe einen eigenen Humor“, denkt Liam Carpenter laut nach.
„In Deutschland sagen wir nicht: ,Willst Du mich heiraten?‘, sondern ,Willst Du mein steuerlicher Vorteil sein?‘.“ th
Influencer – eine Definition von Chat GPT
Influencer sind Personen, die durch ihre Präsenz in sozialen Medien oder anderen digitalen Plattformen eine große Anhängerschaft aufgebaut haben und dadurch Einfluss auf ihre Follower ausüben. Sie erstellen regelmäßig Inhalte in Form von Fotos, Videos oder anderen Medien, die ihre Interessen, Leidenschaften oder Fachgebiete widerspiegeln. Der Inhalt kann unterhaltsam, informativ, inspirierend oder unterrichtend sein. Sie arbeiten daran, ihre Anhängerschaft zu vergrößern, indem sie ihre Inhalte über verschiedene Kanäle wie soziale Medien, Blogs oder YouTube-Kanäle teilen. Influencer, die erfolgreich sind, können ihre Tätigkeit professionalisieren, indem sie Agenturen engagieren oder eigene Produkte oder Dienstleistungen entwickeln. Sie bauen ihre Marke weiter aus und nutzen ihre Reichweite für verschiedene Möglichkeiten der Monetarisierung.
Liam Carpenter im Netz:
www.tiktok.com/@liamcarps
www.instagram.com/liamcarps1
www.youtube.com/@liamcarps