Die Künstlerin Beate Binder spendet mit ihren Schutzengeln Trost und Hoffnung in einer schwierigen Zeit.
Trost und Hoffnung – zwei große Worte, die während der Corona-Pandemie eine wichtige Rolle spielen. Menschen benötigen Trost, weil sie einen Angehörigen verloren haben oder sie die Kontakte mit Freunden und Verwandten einschränken müssen. Auf der anderen Seite haben sie Hoffnung, dass sich die Situation der letzten Monate auch wieder normalisiert. Diese Gedanken beschäftigten Beate Binder seit dem Shutdown im Frühjahr. Die Stahlbildhauerin überlegte sich, wie sie Menschen Trost spenden und Hoffnung geben könnte. Sie entwarf verschiedene Schutzengel – als treue und innige Freunde und Seelenverwandte. Sie seien die einzigen Engel, die einfach da sind, ohne dass Menschen um ihren Beistand bitten müssten, „eine solche Unterstützung kann jeder benötigen,“ ist ihre Auffassung.
Die Figuren entstehen in ihrer Werkstatt in Beimbach. Beate Binder schweißt sie aus Metallteilen zusammen – so sind die Engel später auch Aufmunterung für die beschenkten Menschen. Je nach Vorlieben gibt es verschiedene Motive: „Gabriel“ mit seinen langen Flügeln steht für Kraft, der „Herzengel“ für die innige Verbindung zwischen zwei Menschen, etwas florales hat der „Blütenengel“, der „Auferstehungsengel“ schwingt sich mit seinen ausgebreiteten Flügeln in den Himmel und schließlich „Atlanta“, die Ausgeglichene und Ausgewogene.
Die Idee kommt gut an: Bekannte und Kunden bestellen für sich oder andere. Als Service bietet die Künstlerin den Versand auch direkt an die Beschenkten an: „Der weiteste Engel ist bis nach Amerika geflogen.“ Die Resonanz sei sehr breit und die Emotionen sehr intensiv, erzählt die Beimbacherin: „Eine Frau hat mich angerufen und sich unter Tränen für den Engel und die tolle Idee bedankt.“ Die himmlischen Wesen stehen auch auf Friedhöfen und halten an Gräben von Verstorbenen Wache. „So wollten die Verwandten mit ihren Lieben in Verbindung bleiben“, zitiert die Kunstschweißerin eine Tochter, die ihren Vater in diesem Frühjahr verloren hat.
Während sie die Engel in alle Welt „aussendet“, kommen aber auch Interesenten zu ihr nach Beimbach und holen sich die individuell angefertigten Engel persönlich ab. Sie wollen nach den vielen Tagen zu Hause in den eigenen vier Wänden andere Menschen kennenlernen und etwas Neues entdecken.
Beate Binder stammt ursprünglich aus Langenburg und war im Stuttgarter Raum als Krankenschwester in der Psychiatrie tätig. Die Diplom-Sozialpädagogin arbeitet viel handwerklich und hat eine Ader für Form und Farbe, die sie zunächst in Schmuckstücken auslebte. „Das war mir aber zu kleinteilig“, erzählt sie. So belegte sie einen professionellen Schweißkurs und besitzt seitdem einen offiziellen Befähigungsnachweis des Deutschen Schweißverbands. „Mir war wichtig, dass ich die Technik richtig beherrsche und auch die Sicherheitsvorschriften kenne.“ Vor über 20 Jahren zog es sie wieder zurück in die Heimat. Sie kaufte ein Anwesen in Beimbach, renovierte das Wohnhaus und die Scheune. Neben dem eigenen künstlerischen Werk – Beate Binder ist Mitglied im „Bartensteiner Kreis“ – bietet sie seit mehr als 30 Jahren Kreativschweißkurse an, in Beimbach, in Akademien in ganz Süddeutschland und bei Unternehmen vor Ort. Durch ihre pädagogische Ausbildung gibt sie die Kreativtechnik sowohl an Jugendliche in Schulen und Jugendhäusern als auch an Erwachsene weiter, „ich liebe es, mit Leuten zu arbeiten“. Dazu kommen noch Veranstaltungen für Firmen als Incentive- und Teambuilding-Aktionen. Je nach Länge der Kurse erhalten die Teilnehmer entweder einen ersten Einblick in das künstlerische Schweißen oder entwerfen ein Objekt und setzen es um. „Mit der Art, wie ich arbeite, bin ich die einzige Künstlerin in Deutschland“, verdeutlicht die Stahlbilderhauerin ihr Schaffen.
Das Frühjahr war für sie schwierig: Nach einer ersten Freude über die gewonnene Zeit für neue Objekte und Projekte, kam die Ernüchterung ob der vielen abgesagten Märkte, Ausstellungen und Kurse. Durch ein ausgefeiltes Hygienekonzept über Farbcodierungen sind die Workshops mit weniger Teilnehmern seit einigen Wochen wieder möglich. „Ich habe in dieser Zeit viel Solidarität erfahren“, erzählt Beate Binder, „und mich gefreut, dass so viele Menschen an mich gedacht haben.“ Schon bezahlte Kursgebühren wurden nicht zurückgefordert, Stahlobjekte wurden vermehrt gekauft oder verschenkt und sie bekam Präsente zur Aufmunterung.
Die Idee zu den Engeln sieht die Beimbacherin auch als eigene Besinnung und Reflexion: Während der Isolationszeit des Shutdowns wurde ihr klar, dass die Menschheit nicht mehr so weitermachen könne, wie bisher. Die Solidarität untereinander machte ihr Hoffnung „auf eine bessere Welt nach der Corona-Pandemie“. Sie sieht die Krise auch als Warnung an uns: „bis hierhin und nicht weiter“. Doch Beate Binder ist skeptisch und fragt sich, „bleiben diese positiven Entwicklungen, wenn alles wieder ‚normal‘ läuft“? Da erfreut sie sich an ihren eigenen Schutzengeln als eine Erinnerung an eine schwierige Zeit sowie als ein Bindeglied zwischen Freunden und der Familie. th
Foto: Beate Binder schenkt mit ihren Schutzengeln Hoffnung und Vertrauen in die Zukunft.