Der Tübinger Kirchenmusiker Nikolai Ott studiert mit Hohenloher Sängern Stücke von Hohenloher Komponisten ein. Im Oktober sollen die Werke in der Schüle in Gerabronn aufgeführt werden.
Es gibt nicht nur den bekannten Barockkomponisten Johann Sebastian Bach oder den Tondichter der Wiener Klassik, Wolfgang Amadeus Mozart, nein auch Hohenlohe hatte damals Musiker von Rang, die heute leider in Vergessenheit geraten sind. „2018 habe ich im Rahmen eines Buches Chorkomponisten aus Württemberg vorgestellt, die hier gewirkt haben“, erzählt Nikolai Ott, Tübinger Bezirkskantor aus Mössingen. Der ursprünglich aus Gerabronn stammende Kirchenmusiker will die Werke dieser Komponisten nun wieder zu Gehör bringen, „das ist ein Herzensprojekt von mir“.
Das Projekt „Hohenloher singen Hohenloher“ war ursprünglich für 2020 geplant, dem 300. Todesjahr von Johann Samuel Welter. Der Komponist wurde 1650 in Obersontheim geboren und wirkte 45 Jahre lang als Organist an St. Michael in Schwäbisch Hall. In dieser Zeit, erklärt Nikolai Ott, entstanden über 400 Stücke, von denen allerdings nur noch zehn Kantaten erhalten geblieben sind. Der Mössinger Musiker, der auch Leiter der Kantorei Karlshöhe in Ludwigsburg ist, wollte diese Stücke wieder aufführen und suchte nach geeigneten Wegen. „Über Professor Frieder Bernius bin ich auf das Projekt ,FreiRäume‘ des Kunstministeriums aufmerksam geworden.“ Zusammen mit dem Chorverband Hohenloher Gau wurden zwei Konzerte organisiert. Durch die Vorgaben des Projekts sollen Profimusiker mit Amateuren gemeinsam Musik in leerstehenden Räumen aufführen. Was lag für den ehemaligen Gerabronner näher, als Barockmusik in einem „Nudelschloss“ mit seinem „Kathedralen-Sound“ (Ott) zu Gehör zu bringen.
Rund 25 Sänger haben sich an einem ersten Probenwochenende in der Schüle getroffen und neben Stücken von Johann Samuel Welter auch Kantaten von Johann Evangelist Brandl erarbeitet. Brandl wirkte als Vertreter der Klassik Ende des 18. Jahrhunderts in Bartenstein, bevor er Hofmusiker in Bruchsal wurde. Die Amateure aus dem Hohenloher Raum singen in Chören, die vor zehn Jahren von Nikolai Ott geleitet wurden, oder sind selbst Chorleiter in der Region. Sie haben alle, erläutert er, Lust an einem solchen Projekt mitzuwirken und nach eineinhalb Jahren der Abstinenz wieder Hunger nach Musik.
Die Herausforderung für den Kantor und seinen Chor ist die heute völlig unbekannten Stücke, von denen es keine Tonaufnahmen gibt, werkgetreu darzubieten. „Wir wollen das natürlich ordentlich singen, damit es den Sängern und den Zuschauern Spaß macht.“ Die Musik „von nationalem Rang“ soll dem Publikum ansprechend präsentiert werden. Um dem Chor den letzten Schliff zu geben, kam Frieder Bernius nach Gerabronn. Der Meisterdirigent, der sonst weltweit mit Profis arbeitet, musste sich umstellen, konnte aber auch den Amateuren einige Tipps mitgeben.
Bis zum nächsten Probenwochenende Anfang Oktober müssen die Sänger für sich alleine an den Stücken arbeiten, „das erfordert ein hohes Maß an Selbstdisziplin“, betont Nikolai Ott. „Ohne das Engagement ist ein solches Projekt nicht möglich.“ Auch für den Dirigenten ist das Projekt etwas Besonderes, „in einem faszinierenden Gebäude diese Musik wieder zum Leben erwecken.“
Neben dem Amateurchor singt auch das von Nikolai Ott 2016 gegründete Vokalensemble „cantus imperitus“. Die Profisänger, Schulmusiker und Chorleiter nehmen sich den komplexeren Werken der vergessenen Komponisten an. Die beiden Chöre werden von dem zwölf bis 14 Musiker starken Barockorchester „consortium consonans“ begleitet. „Ich freue mich auf die beiden Konzerte, die nicht nur Publikum aus Hohenlohe, sondern auch darüber hinaus anziehen werden“, ist sich der Kirchenmusiker sicher. th