Ebbes aus Hohenlohe

Pionierin in Sachen Automobil

Langenburger Erbprinzessin brachte vor über 100 Jahren das Auto in die Residenzstadt.

Die automobile Zukunft hat in Langenburg 1909 begonnen. Damals bestellte Erbprinzessin Alexandra das erste Auto – selbstverständlich einen Mercedes. Der Geschichts- und Kulturverein Langenburg berichtet, wie es dazu kam.

Kurz nach der Jahrhundertwende waren bereits Automobile auf Schloss Langenburg zu Gast. Die Ehefrau des Langenburger Dekans, Agnes Günther (1863-1911), schreibt 1904 an ihre Schwester Alice: „Gegenwärtig beleben die Automobile mehr als angenehm die Gegend. Glücklicherweise sind wir noch keinem zu Wagen begegnet, die Pferde sind’s eben noch gar nicht gewöhnt.“ 

Die Anschaffung des ersten Automobils auf Schloss Langenburg fiel mit dem Besuch von Kaiserin Augusta Viktoria im September 1909 zusammen. Auf der Rechnung an Erbprinzessin Alexandra ist das Fahrzeug genau beschrieben: Es wurde mit zwei unterschiedlichen Karosserien geliefert und war ein Mercedes-Wagen 21/35 PS, Modell 1910, Cardan Chassis. „1 Sport-Carrosserie mit Aluminium-Spritzwand wie bei Rennwagen mit vorderer linker Seitentüre, mit roter Lederpolsterung und mercedesroter Lackierung mit Goldabsetzung.“ Sowie des Weiteren: „1 Limousine in feinster Ausführung und elegantester Innenausstattung, mit graubrauner Cordstoffpolsterung und mercedesroter Lackierung,
2 gepolsterte, nach vorwärts umlegbare Klappsitze mit daran befindlichem Rücksitz, elektrische Innenbeleuchtung samt Batterie, elektr. Cigarrenanzünder, Necessaire, Rauchservice, Hut-, Schirmhalter, Klapptisch, Blumenglas, alle Beschläge innen versilbert, 1 vordere hochklappbare Glaswand, Gepäckgalerie, Riemen und Krampen auf das Dach für die Pneumatiks. Das Wappen an den beiden Türen angebracht, 2 verstellbare Fußschemel mit Teppich bezogen, 1 Wagenheizapparat incl. 3 Paketen Glühsteinen.“ Mit dem Fahrzeug kam Chauffeur Ernst Kaufhold nach Langenburg, der bis 1919 im Dienst des Fürstenhauses blieb.

Kaiserin Augusta Viktoria (Ehefrau von Kaiser Wilhelm II.) besuchte anlässlich eines Kaisermanövers im fränkischen Raum die Heimat ihrer Mutter. Sie war zu Gast bei ihrem Onkel Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg und seiner Familie.

Das Königliche Ober-Marstall-Amt, Berlin hatte der fürstlichen Verwaltung mitgeteilt, dass ein kaiserliches Automobil in Langenburg eintreffen wird. In diesem Wagen wurden Ausfahrten nach Rothenburg/Tauber  und Weikersheim unternommen. Die fürstliche Familie begleitete den Gast in zwei weiteren Kraftwagen, dem Mercedes-Wagen der erbprinzlichen Familie und dem für die Zeit des Kaiserinnenbesuches und des Kaisermanövers von der fürstlichen Hofverwaltung bei der Daimler-Motorengesellschaft Stuttgart angemieteten modellgleichen Mercedes-Wagen 21/35 HP mit Limousine-Karosserie.

Die Familie des Erbprinzen verbrachte die Wintermonate häufig in Nizza im repräsentativen Anwesen Château de Fabron. Das Anwesen war im Besitz der Mutter von Alexandra, Herzogin Marie von Sachsen-Coburg und Gotha und Großherzogin von Russland. Es wurden Spazierfahrten nach Cannes oder Monte Carlo mit einer Kutsche oder mit dem Automobil gemacht. Die Rückreise nach Langenburg erfolgte 1910 zum ersten Mal mit dem neuen Auto. Die abenteuerliche Reise vom 21. bis 24. April führte von Nizza über die Alpen nach Grenoble, Genf, Basel, Freiburg, Baden-Baden nach Langenburg. Es wurden 1148 Kilometer in 28 Fahrstunden zurückgelegt. Die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 41 Stundenkilometer. Die größte Herausforderung war die Passhöhe des Col de la Croix Haute mit 1168 Metern Höhe. Die Reise wurde ohne jeden Unfall zurückgelegt. 

Erbprinzessin Alexandra war von Jugend an eine begeisterte Reiterin. In Langenburg standen ihr und ihren Kindern edle Reitpferde zur Verfügung. Häufig jedoch saß sie selbst am Steuer des Autos. Davon berichtet Erbprinz Ernst in seinem Tagebuch: „25.5.1910: Sandra machte Vorm. und Nachmittags kurze Autofahrten.“ Auch Gäste chauffierte sie selbst: „11.7.1910: Sandra holte im Auto Mr. Mylne und dessen Vater ab, die zum Lunch u. bis 5 Uhr blieben. Sandra fuhr sie im Auto wieder zurück.“ Im November 1912 bestellte sie sich einen wesentlich stärkeren Mercedes-Wagen: Dieses 2. Automobil war ein Mercedes 28/50 HP, 4 Cyl., Cardanwagen. Es kann also zu Recht festgestellt werden: Die damals 34-jährige Erbprinzessin Alexandra war eine mutige Pionierin in Sachen Automobil.

Rückkehr vom Ausflug nach Rothenburg/Tauber im September 1909.
Im Innenhof von Schloss Langenburg: Erbprinzessin Alexandra und Prinzessin Alexandra zu Pferd, ca. 1909/10.

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