Ebbes aus Hohenlohe

Hilfe aus innerem Antrieb

Erika Keller ist das Herz und die Seele des Tafelladens in Gerabronn. Sie arbeitet seit Beginn bei der karitativen Einrichtung mit. 

Dienstags, kurz vor 14.30 Uhr: Am Eingang des katholischen Gemeindesaals in Gerabronn blickt man in viele erwartungsvolle Gesichter, es ist ein bunter Sprachenmix zu hören. Der Tafelladen öffnet gleich seine Türen. Einige Zeit zuvor haben sich Erika Keller und weitere freiwillige Helferinnen und Helfer darum gekümmert, dass die Lebensmittel und anderen Waren ansprechend präsentiert werden. Nun geht die Türe auf und die Menschen strömen in den Verkaufsraum.

Vor etwas mehr als zehn Jahren hat der Tafelladen das erste Mal geöffnet, Frau der ersten Stunde ist Erika Keller: „Ich habe von dem Projekt gehört und dass noch Helferinnen und Helfer gesucht werden“, erzählt sie. Sie hat sich die Idee angehört, „und schon war ich mit dabei“. In Gerabronn und Umgebung leben viele Menschen und Familien, die nicht viel Geld zur Verfügung haben. Für sie sollte eine Möglichkeit geschaffen werden, damit sie Waren des täglichen Bedarfs günstiger einkaufen können. Zunächst wollten die katholische und die evangelische Kirchengemeinden das Angebot in Eigenregie stemmen, doch dann kamen sie in Kontakt mit der Aufbaugilde Heilbronn, die in Crailsheim einen Tafelladen betreibt. In Gerabronn wurde 2013 schließlich eine zweite Ausgabestelle eingerichtet.

„Ich bin ein Mensch, der gerne anderen hilft“, macht Erika Keller klar. „Das ist mein innerer Antrieb.“ Als sich herumgesprochen hat, dass die heute 65-Jährige Teil des Tafelladenteams ist, haben Bekannte bei ihr angerufen und ihr Lebensmittel angeboten, das ist bis heute so. „Ich fahre dann zu ihnen hin und nehme die Sachen mit.“ Auch beim örtlichen Edeka-Markt kann sie Waren abholen, die sich nicht mehr für den Verkauf eignen. Zu Hause im Keller sortiert sie die Waren und bewahrt sie bis zum nächsten Verkaufstag auf. Auch die Aufbaugilde in Crailsheim sammelt bei Supermärkten, Direktvermarktern und Herstellern in der Region Waren ein und bringt sie in Gerabronn vorbei. Obst, Gemüse, Backwaren und Molkereiartikel sind auf jeden Fall einwandfrei. Früher wurden solche Waren einfach weggeworfen, „das kann ich gar nicht sehen, wenn noch genießbare Lebensmittel im Abfall landen“, betont Erika Keller. „Mit Verschwendung komme ich nicht klar.“ Denn es gebe genügend Menschen auch in Gerabronn und Umgebung, die nicht viel Geld haben und mit diesen Waren sich und ihre Familie ernähren können. Der Berechtigungsschein für den Einkauf im Tafelladen wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unbürokratisch direkt im Laden ausgestellt – entsprechende Nachweise sind selbstverständlich nötig.

Die Waren werden zu maximal 30 Prozent des ortsüblichen Preises im Tafelladen verkauft. Wenn 2013 vor allem frische Lebensmittel angeboten wurden, sind jetzt auch länger haltbare Dinge wie Zucker, Mehl, Reis, Nudeln und Konserven sowie Waschmittel und Körperpflegeprodukte auf den Tischen im katholischen Gemeindesaal in Gerabronn zu finden. Diese Erzeugnisse müssen allerdings zu den regulären Ladenpreisen besorgt werden. „Da reichen die Erlöse aus dem Verkauf der gesammelten Lebensmittel nicht, wir sind auf Spenden angewiesen“, macht Erika Keller klar. Um günstig einkaufen zu können, studiert sie dafür am Wochenende die Sonderangebote.

„Die Zusammenarbeit mit Karin Coffey von der Aufbaugilde in Crailsheim ist sehr gut“, berichtet die ehrenamtlich Tätige. „Wir tauschen uns regelmäßig aus.“ Die Erfahrungen aus Gerabronn sind auch in die Konzeption des Tafelmobils eingegangen, das seit einigen Monaten die Menschen in den Gemeinden erreicht, die nicht so einfach nach Crailsheim oder Gerabronn fahren können.

Als vor über zehn Jahren der Tafelladen geöffnet hat, kamen rund 20 Menschen, überwiegend Einheimische, zum Einkaufen. Nach der Flüchtlingswelle 2015/2016 haben sich die Zahlen deutlich erhöht, „allerdings sind die Einheimischen weniger geworden, sie haben sich durch die Flüchtlinge verdrängt gefühlt“, vermutet Erika Keller. In der Zeit hat das Team dann auch das Losverfahren eingeführt, damit jeder die gleichen Chance hat, am Anfang der Warteschlange zu stehen. Sie hat festgestellt, dass manche Kundinnen und Kunden hohe Ansprüche stellen und sehr bestimmt auftreten können. Im letzten Jahr, als ukrainischen Kriegsflüchtlinge in Gerabronn eintrafen, hat sich die Zahl der Besucherinnen und Besucher noch einmal erhöht. Jeden Dienstag kommen nun um die 40 Personen und decken sich mit Lebensmitteln ein.

Der Anteil der Einheimischen sei zwischenzeitlich wieder größer geworden, „wenn auch viele Menschen, die ebenfalls bei uns einkaufen dürften, aus falsch verstandener Scham nicht zu uns kommen wollen“, erläutert die 65-Jährige. Sie habe den Eindruck, dass mehr Leute auf Hilfe angewiesen sind. Kurz vor Monatsende hätten gerade die Einheimischen oft nur noch wenig Geld und müssten genau rechnen, was sie sich leisten können.

Rund 20 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer wechseln sich mit den Diensten ab. Jeder teilt sich selbst ein und erscheint alle drei Wochen zur Arbeit. „Wir hatten über die ganze Corona-Zeit mit einem strengen Hygienekonzept geöffnet“, blickt Erika Keller zurück. „Allerdings blieben nur wenige Helferinnen und Helfer übrig, viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehörten zur Risikogruppe.“ So ist sie zum Herz und zur Seele des Tafelladens geworden, „ich bin fast jeden Dienstag da“. Auch unter der Woche ist sie häufig unterwegs, „das ist kein Problem, ich kann mir die Arbeit einteilen“.

Wenn sie sich etwas wünschen dürfte, dann wären das Verkaufsräume, in denen richtige Regale stehen und „wir dienstags nur noch die frischen Lebensmittel auffüllen bräuchten“. Denn leider werden nach über zehn Jahren die Dienste eines Tafelladens im reichen Deutschland mehr denn je gebraucht. „Wir freuen uns über jeden, der zu uns kommt“, betont Erika Keller. th

Zur Info:

www.kirche-in-gerabronn.de/

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