Tierliebhaber kümmern sich um verwilderte Streuner
Vergangenen Oktober waren rund 50 Katzen am ehemaligen Bauhof unterwegs. Dort haben sich die herrenlosen Tiere vor Jahren einquartiert und seither stetig vermehrt. Weil sich ihr Domizil gleich am alten Friedhof befindet, waren die verwilderten Katzen bald ein Ärgernis für viele Schrozberger. Hilfe kam schließlich von außen.
Als der blaue Golf in die Weststraße einbiegt, leuchtet schon das erste Augenpaar aus seinem dunklen Versteck. Bald folgen zwei gespitzte Ohren und schließlich erscheint die ganze Katze. Zwei, drei, vier Artgenossen kommen aus allen Himmelsrichtungen hinzu – die sonst misstrauischen Streuner wissen, wann es Futter gibt. Täglich macht sich das Geschwisterpaar Margit und Herbert Büller auf den Weg zum alten Friedhof in Schrozberg. Nebenan im ehemaligen Bauhof und dem umliegenden Gelände befindet sich das Areal der inzwischen weitbekannten Straßenkatzen. Im Kofferraum führen sie Trocken- und Nassfutter mit, als Nothilfe für die Samtpfoten. „Wir haben vor etwa vier Jahren begonnen, die wildlebenden Katzen zu füttern. Jetzt können wir das nicht einfach so sein lassen“, sind sich die beiden Tierfreunde einig. Weil ihr Engagement – trotz Futterspenden – für sie allmählich zur finanziellen sowie zeitlichen Belastung wird, sind die Büllers heilfroh, dass sich die Population inzwischen auf 15 Fellträger verringert hat. Dank Heike Pico und Seleta Schmidt, ihrer Schwiegertochter in spe, die sie tatkräftig unterstützen. Die Weikersheimerinnen haben nicht nur ein Herz für Tiere, sondern auch den Schneid, an der Situation etwas zu ändern.
Seit elf Monaten sind sie damit beschäftigt, die Stadt von ihrem befellten Problem zu befreien. Wobei es den Helferinnen in erster Linie um das Wohl der Vierbeiner geht. Einfangen, beim Tierarzt kastrieren beziehungsweise sterilisieren lassen und schließlich den Katzen ein neues Zuhause finden, füllt seither das Privatleben der Tierschützerinnen aus. „Teilweise telefoniere ich stundenlang mit Menschen, die eine der Katzen aufnehmen würden. Wir haben in Zeitungen annonciert, das Fernsehen geholt und Flugblätter verteilt. Es melden sich Leute von überall“, erzählt Heike Pico. Die Abgabe der Schrozberger Katzen in eines der ohnehin überfüllten Tierheime ist für sie keine Option. „Wir schauen uns die Bewerber vorher persönlich an und wenn es sich lohnt, nehmen wir auch weitere Wege in Kauf.“ Schwierig ist, dass sich die Straßenkatzen aufgrund ihrer bisherigen Lebensweise nicht einfach in einen „normalen Haushalt“ integrieren lassen. „Wir suchen Katzenerfahrene, die im besten Fall gleich mehrere nehmen. Ideal wäre ein Bauern- oder Reiterhof mit viel Platz, so dass sich die scheuen Tiere langsam an ein Leben mit Menschen gewöhnen und weiter ihren gewohnten Auslauf haben“, meint Pico. Die Ehrenamtliche steht den Fellnasen emotional nah. Bislang konnte sie 35 von ihnen Obdach verschaffen. „Jetzt müssen wir zusehen, dass wir die übrigen
15 Katzen schleunigst unterbringen.“ Denn bald rollt der Abrissbagger vor dem alten Friedhof an. Wenn das umstehende alte Gemäuer fällt, verlieren die Streuner ihre Behausungen. Die Zeit drängt. Sabotage macht die Situation nicht einfacher. „Da ist schon wieder Kaffeepulver im Futter“, sagt Margit Büller traurig auf den Napf in ihrer Hand blickend. Verärgerte Anwohner behindern die Futteraktion der Büllers. So geht das oft. „Sie wollen, dass wir aufhören.“
Mit dem Verpflegen der Katzen fingen ursprünglich andere an. Seit sich diese zurückzogen, fühlt sich das Geschwisterpaar in der Pflicht. Helmut Hüttner, Hauptamtsleiter der Stadtverwaltung Schrozberg, sieht ihren Einsatz jedoch kritisch: „Meiner Meinung nach ist mit dem Füttern aus einer Gutmütigkeit heraus ein Problem für die gesamte Stadt entstanden. Man hat damit unabsichtlich unterstützt, dass sich die Streuner zügellos vermehren. Wir hatten es bis vor kurzem mit massiven Beschwerden aus der Bevölkerung zu tun.“ Das Ärgernis: Die Straßenkatzen am alten Friedhof streifen über die Gräber wo sie ihr Geschäft verrichten und einscharren. Seit sich Heike Pico der Sache annimmt, habe sich die Situation – durch die geringer werdende Zahl der Katzen – beruhigt. „Ich habe die Stadt eingebunden. Die Kommune übernimmt seither die Tierarztkosten. Wenn die Gemeinden die Kastrationspflicht einführen und von Beginn an Verantwortung für herrenlose Tiere übernehmen würden, würde eine solch unkontrollierte Vermehrung erst gar nicht entstehen und viel Leid verhindert“, sagt Pico. „Wenn jetzt ein unkastrierter Freigänger hinzukommt, geht alles wieder von vorne los“, befürchten die Büllers. Immerhin habe Schrozbergs haariges Problem damals mit 15 Katzen begonnen. ela
Info: In Deutschland gibt es schätzungsweise 8,2 Millionen Straßenkatzen. Sie sind auf die Fürsorge von Menschen angewiesen. Katzenfreunde mit viel Platz und der Möglichkeit, vielleicht sogar ein Pärchen aufzunehmen, können sich bei Heike Pico melden. Telefon: 07934/993185. Insgesamt suchen in Schrozberg derzeit noch 15 verwilderte Hauskatzen eine neue Heimat.