Ebbes aus Hohenlohe
Wo ist der  See geblieben?

Wo ist der See geblieben?

Was das Gewässer mit der Tilgung von Schulden zu tun hat

Wer das erste Mal nach Rot am See kommt, fragt sich, wo das Gewässer ist, das dem Ort zu seinem Namen verholfen hat. Dann findet der Besucher den kleinen, halbmondförmigen See beim Campingplatz in Brettenfeld und freut sich – weit gefehlt. Der See lag ganz woanders.

Wann der See angelegt wurde, ist bei den Gelehrten umstritten: Die einen sprechen vom 14. Jahrhundert, für andere ist er mindestens 200 Jahre älter. Es gibt auch Vermutungen, dass die slawischen Wenden, die sich in Ober- und Niederwinden angesiedelt hatten, bereits einen Fischteich betrieben: Ein Mönch des Klosters Feuchtwangen erwähnte bereits im 10. Jahrhundert einen zum Kloster gehörenden See. Fest steht allerdings, wo er sich befand: südöstlich von Rot am See in Richtung Schainbach, entlang der Bahnline. Vom einst 34 bis 59 Hektar großen Gewässer (die verschiedenen Fundstellen widersprechen sich) ist nur noch ein weitaus kleinerer See am Seebach-Brunnen übrig – er und andere Quellen speisten den See.
Auch wenn das Alter im Dunkel der Geschichte verschwunden ist, der Zweck ist jedoch eindeutig: Das künstliche Gewässer diente der Fischzucht, der dafür angelegte Damm ist heute noch an der Seemühle zu sehen. Die Grafen von Lobenhausen (die Mitte des 13. Jahrhunderts ausstarben) hatten das Recht, den See abzufischen.
Der See wurde überwiegend mit Hechten und Karpfen besetzt. Wenn die Fische zwischen zwei und drei Pfunde wogen, wurde der See abgefischt. Dazu ließ der Seemüller das Wasser über den Seebach, der heute noch durch Rot am See fließt, ab und senkte somit den Wasserspiegel des ohnehin nicht allzu tiefen Sees. Das Ausfischen des Sees fand etwa zwei bis vier Wochen nach der Muswiese statt. Der Seemüller, der für das Gewässer die Verantwortung trug, meldete den Markgrafen von Ansbach (ihnen gehörte der See seit 1399), dass er „fischig“ sei.
Zusammen mit mehreren Knechten kamen die Fischmeister aus Ansbach oder Crailsheim und zogen die Fische an Land: Um den See zu leeren, benötigten sie drei Tage und Nächte. Das Fangergebnis war für die damalige Zeit nicht schlecht, in guten Jahren gingen ihnen 4000 bis 5000 Karpfen in die Netze. Im Durchschnitt betrug die „Ernte“ rund 1000 Zentner.
Einheimische Bauern fuhren die Fische mit Gespannen nach Ansbach und Crailsheim. Den umliegenden Gastwirten wurden kleinere Mengen verkauft, die Gemeinde erhielt – nach einer uralten Sitte – 100 Stück geschenkt. Da der See den Markgrafen von Ansbach gehörte, überwachten sie das Abfischen gerne auch persönlich und verbanden diese „Pflicht“ mit einem Besuch bei ihren Untertanen. Die Seemühle, die direkt am Abfluss des Sees lag, nutzte übrigens das Wasser für das Mahlen von Getreide. Sie war für die Versorgung der Bevölkerung mit Mehl wichtig. Der Müller, als Lehensträger der Markgrafen, hatte auch die Pflicht, im Winter „Luftlöcher“ in das Eis des Sees zu schlagen, damit die Fische genügend Sauerstoff erhielten.
Bei der Suche nach dem See von Rot fanden Forscher eine alte Karte aus dem 18. Jahrhundert, auf der die Größe und die Lage des Sees genau verzeichnet waren. Warum der See gerade zu dieser Zeit vermessen wurde, war aber noch nicht klar. Klar war auch nicht, warum der See irgendwann einmal wieder verschwand. In Rot am See gab es verschiedene Gerüchte, aber der evangelische Pfarrer Ulrich Müller fand in den 1990er-Jahren den wahren Grund heraus: In der Barockzeit protzten die Landesväter, bauten auf Teufel komm ’raus und lebten in Saus und Braus. So auch der damalige Markgraf Carl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach – freilich hatte er nicht das Geld dazu und stand Anfang des 18. Jahrhunderts am Rande der Pleite. Der Markgraf machte alles zu Geld und auch manche Ländereien mussten daran glauben. Zunächst ließ er dafür den See genauestens vermessen (darum die Karte). Ein Grundstücksmakler bot 20000 Gulden, was dem Grafen aber zu wenig war. Entgegen dem Willen der anliegenden Mühlenbetreiber sollte der See trockengelegt, in einzelne Parzellen geteilt und dann verkauft werden. 1732 wurde ein Geometer mit der Vermessung und dem Setzen von noch heute vorhandenen Grenzsteinen beauftragt, 1757 war die Austrocknung abgeschlossen und 1766 das letzte Grundstück verkauft. Das Geschäft brachte schließlich 30480 Gulden für eine Fläche von 34 Hektar – der ursprüngliche, größere See war wohl teilweise verlandet. Der Graf erlebte den Verkauf jedoch nicht mehr, er starb 1757. Die Erlöse konnten aber seine enormen Schulden nur zu einem kleinen Teil tilgen: Er hinterließ seinem Sohn Karl Alexander Rückstände in Höhe von 2,3 Millionen Reichstalern. th

Deutlich sind noch heute in der Nähe der Seemühle der alte Damm und der Einschnitt zu sehen, durch den der See abgelassen wurde.

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