In Kirchberg haben sich Tango-Begeisterte zu einem Verein zusammengeschlossen, dessen Ziel es ist, Hohenlohern das südamerikanische Lebensgefühl nahezubringen. Die Gründung wird mit einem Konzert gefeiert.
Zwei Paare bewegen sich innig ineinander versunken zur Musik des Tango Argentino durch den Rittersaal im Kirchberger Schloss. Sie scheinen in völliger Symmetrie durch den Saal zu schweben. Die Musik träg sie und sie zelebrieren eher den Tanz, als dass sie eine vorgegebene Schrittfolge einhalten.
Andreas Flaig hat den Tango Argentino, wie die drei anderen Tänzer auch, durch Ute Frühwirth in Gerabronn-Dünsbach zu schätzen gelernt. Die „Grande Dame“ (Flaig) des Tanzes betrieb lange in Stuttgart eine Schule, die sich ganz dem traditionellen Tanz aus Südamerika widmete. Seit 2005 vermittelte sie auch Hohenlohern das Lebensgefühl und die ersten Schritte. Nachdem sie Ende letzten Jahres ihre Schule geschlossen hat, wollten Andreas Flaig und Lars Rinas ihre Passion nicht für sich behalten und gründeten im Oktober 2021 den Verein „Tango Hohenlohe-Franken“. Auf diesem Fundament sollen sich überall in Hohenlohe Gruppen bilden, die Kurse und Veranstaltungen für Tango-Begeisterte anbieten – Tango im Kirchberger Schloss sei dabei nur ein Angebot von mehreren.
Der Tango entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem in Argentinien und Uruguay. Einwanderer aus den unterschiedlichsten Ecken der Welt brachten ihre Traditionen mit, die dann nach und nach zu dem Tango verschmolzen, der auch heute noch getanzt wird. Der oft melancholische Unterton der Lieder, die meist von Liebe, Verlassenheit, Hoffnung, Verlust und Sehnsucht handeln, zeigt, dass mit dem Tanz häufig die Alltagserfahrung verarbeitet wurde. Seit 2009 gehört der Tango Argentino zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Lars Rinas war neugierig auf die Art des Tanzens, die ihn 2005 zum Tango geführt hat. Zwischenzeitlich gibt er selbst als Lehrer seine Erfahrungen weiter: „Der Tanz besteht aus einigen Grundelementen, die immer wieder neu zusammengesetzt und miteinander kombiniert werden können.“ Dabei komme es auf die Kommunikation der beiden Tanzpartner an. Das bestätigt auch Andreas Flaig: „Die nonverbale Verständigung ist wichtig. Der Tanz ist eine Interpretation der Musik, bei der der Mann nicht mit Nachdruck führt.“ Seine Tanzpartnerin Nadine Roos kann bei dem Tanz ihre Weiblichkeit ausleben. „Ich war schon bevor ich den Tango kennenlernte eine leidenschaftliche Tänzerin und habe schließlich Feuer gefangen.“ Es sei schön anzusehen, wie gute Tänzer sich zur Musik bewegten, „quasi völlig beglückt durch den Raum fliegen“. Beim Tango könne sie „sich führen lassen und sich im Moment verlieren“.
Die ersten Schritte seien schnell gelernt, erklärt Lars Rinas, „das ist nicht kompliziert“. Wenn aber die Begeisterung und der Anspruch steige, dann müsse man mehr Zeit und Energie investieren. Für Ekatarina Belykh hat der Tanz etwas Mystisches: Es gebe keine Gesetze und es sei für Außenstehende oft nicht nachvollziehbar, wie sich die Paare beim Tanzen verständigen. „Aber nur wenn sich die Menschen gegenseitig verstehen, verändert sich dadurch ihr Leben.“ Lars Rinas ergänzt: „Der Hunger nach Leben wird im Tango wachgerufen und schließlich auch befriedigt.“
Auf den engen Paartanz müssen sich die Partner bewusst einlassen: Wenn es von beiden Seiten gewünscht ist, wird aus dem zunächst etwas lockeren, gemeinsamen Dahingleiten eine akzeptierte, innige Umarmung, „eine Beziehung für drei Minuten“, wie es Andreas Flaig auf den Punkt bringt. Das mache wohl für viele Europäer die Begeisterung für den Tanz aus, sinniert Nadine Roos, „sie sind ausgehungert nach Nähe“.
Tango-Enthusiasten nehmen zum Teil größere Wegstrecken auf sich, um mit Gleichgesinnten zu tanzen. Zu einer so genannten Milonga gehöre neben dem passenden Ort auch immer die richtige Musikmischung dazu, erläutert Andreas Flaig: Entweder spielt eine Band oder ein DJ legt auf. Nun solle zu den schon bekannten Zentren in Süddeutschland auch Hohenlohe hinzukommen, so das Ziel der Vereinsgründer. Junge und reifere Menschen aus der Gegend können den Tanz bei Kursen kennenlernen und bei der anschließenden Milonga vertiefen. „Wir wollen auf den Tango aufmerksam machen“, betont Lars Rinas die Idee, „und eine vitale Szene aufbauen“. th
Foto: Andreas Flaig (hellblaues Hemd), seine Tanzpartnerin Nadine Roos sowie Lars Rinas und Ekatarina Belykh gehen ganz in der Musik auf: Ab April kann der Tango Argentino jeden Freitag im Kirchberger Schloss in Kursen erlernt und bei einer anschließenden Milonga vertieft werden.