Ebbes aus Hohenlohe
Es reicht immer für alle

Es reicht immer für alle

Gemeinsam kochen und essen gegen Einsamkeit. Zwei Projekte in Gerabronn haben Leuchtturmcharakter für den ganzen Landkreis. 

Es ist Mittagszeit. Menschen strömen in den Saal des Progymnasiums in Gerabronn. Sie begrüßen sich freundlich, schließlich kennen sie sich schon lange. Aus der Küche duftet es nach frisch gebackener Gemüselasagne. Die Gäste setzen sich. Nach einem gemeinsamen Lied wird pünktlich um 12.15 Uhr gegessen.

Die Bundesregierung hat festgestellt, dass sich ein Drittel der Deutschen zeitweise einsam und sozial isoliert fühlt – in der Stadt sicher mehr als auf dem Land. Aber nicht nur ältere Menschen sind davon betroffen, sondern auch immer mehr junge Erwachsene. Die Zahlen sind in den letzten Jahren drastisch gestiegen: Waren es 2013 noch 14,5 Prozent der 18- bis 53-Jährigen, so wurden Ende 2022 bereits 36,4 Prozent gezählt – 17 Prozent davon gaben an, sehr einsam zu sein.

Diesen Trend hat Ruth Tischer, eine der Organisatorinnen der „Kredenzbar“ in Gerabronn, bereits im September 2015 vorausgesehen. Das Projekt ist ein Angebot der ökumenischen „Offenbar“, die Begegnungsmöglichkeiten zwischen Menschen schafft. Neben Spiel- und Gesprächstreffs sollte eine weitere Gelegenheit ins Leben gerufen werden, zwanglos zusammenzukommen. „Essen geht immer“, ist Ruth Tischer überzeugt. Ein Team von sechs bis acht Leuten bekocht sie einmal im Monat – meist am letzten Mittwoch – 30 und mehr Menschen. Jedes Mal gibt es Salate, eine frisch gekochte warme Hauptmahlzeit und ein Dessert mit Kaffee. Die Zutaten kommen überwiegend aus der Region, sind in Bio-Qualität und richten sich nach dem saisonalen Angebot. Was mit zwölf Personen begann, ist stetig gewachsen.

Die Leute sitzen an drei schön gedeckten Tafeln – mit gelben Tischdecken und Kerzen. Die Salate und Lasagne-Schüsseln stehen in der Mitte und alle nehmen sich so viel, wie sie möchten. Es entwickeln sich angeregte Gespräche.

In Gerabronn kommen meist die gleichen, oft älteren Leute zum Essen. Manche nehmen sich eine Portion für den nächsten Tag mit, wenn noch etwas übrig ist. So müssen sie nicht kochen oder können Geld sparen. „Bei manchen Besuchern habe ich den Eindruck, dass es die einzige warme Mahlzeit in der Woche ist“, erzählt Ruth Tischer. Obwohl keine Anmeldung erforderlich ist, „hat es immer für alle gereicht“.

Laut der Studie der Bundesregierung sind vor allem Menschen in Übergangssituationen von Einsamkeit betroffen: zum Beispiel beim Eintritt in Studium, Ausbildung, Beruf und Ruhestand oder wenn ein Schicksalsschlag wie eine Trennung oder der Verlust eines geliebten Menschen die Person trifft. Alleinlebende, Alleinerziehende, pflegende Angehörige sowie Menschen mit eingeschränkter Mobilität, gesundheitlichen Beeinträchtigungen, geringer Bildung oder geringen finanziellen Möglichkeiten haben ein erhöhtes Risiko, von Einsamkeit betroffen zu sein.

Nachdem das Projekt im Hauptort so gut angelaufen war, wurde auch in Dünsbach über „Essen und Gemeinschaft“ (so auch der Projekttitel) nachgedacht. Seit Oktober 2021 organisieren Sandra Leidig und ihr Team 14-täglich einen Mittagstisch im Dorfsaal: Von 12 bis 14 Uhr treffen sich jeweils rund 25 angemeldete Gäste und erhalten, ähnlich wie in Gerabronn, ein frisch gekochtes, überwiegend vegetarisches Essen meist aus Bio-Zutaten und immer wieder gespendeten Lebensmitteln (etwa Kartoffeln, Kürbis, Obst oder Apfelbrei). Die Altersspanne ist allerdings größer, derzeit kommen Menschen von zwei bis 90 Jahren, oft auch ganze Familien. „Der Austausch untereinander ist bei uns der Hauptgrund, warum die Leute kommen“, berichtet Sandra Leidig. Sie müssten nicht kochen und freuten sich, dass im Dorf etwas los ist. Die Art des Essens spiele keine große Rolle, „Hauptsache die Qualität stimmt und es schmeckt“. Wichtig sei das gegenseitige Interesse und die gemeinsamen Gespräche. Sie denkt über einen Hol- und Bringservice nach, damit noch mehr Menschen vom gemeinsamen Essen profitieren können.

Beide Angebote finanzieren sich aus freiwilligen Spenden der Gäste oder Dritter und werden von der Stadt Gerabronn unterstützt, die auf die Miete für das Progymnasium und den Dorfsaal verzichtet. th

Das siebenköpfige Kochteam der Gerabronner „Kredenzbar“ freut sich, seine Gäste einmal im Monat mit einem frisch zubereiteten, meist vegetarischen Gericht zu verwöhnen.
Das siebenköpfige Kochteam der Gerabronner „Kredenzbar“ freut sich, seine Gäste einmal im Monat mit einem frisch zubereiteten, meist vegetarischen Gericht zu verwöhnen.

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