Sterbende Menschen in den letzten Tagen begleiten, das ist die selbst gesteckte Aufgabe der Ehrenamtlichen. Mit Sterbehilfe hat das nichts zu tun.
„Nicht dem Leben mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben geben“, mit diesem Zitat von Ciceley Saunders fasst Beate Frank, eine Koordinatorin des Hospizdienstes Hohenlohe Franken, das Selbstverständnis zusammen. „Wir gehen mit den Sterbenden den letzten Weg – an der Hand, nicht durch unsere Hand.“ Damit räumt sie gleich zu Beginn mit dem weit verbreiteten Missverständnis auf: Die ehrenamtlich Tätigen des Hospizvereins begleiten seit vielen Jahren Schwerkranke, Sterbende und deren Angehörige zu Hause und in Pflegeeinrichtungen in dieser Lebensphase. Sie leisten aber keine Sterbehilfe im Sinne des aktuell diskutierten Sterbehilfeparagraphen.
Der Hospizdienst arbeitet mit den Hausärzten, den Altenheimen und dem Team der SAPV (spezialisierte ambulante Palliativ-Versorgung) eng zusammen. Im SAPV-Team betreuen erfahrene Palliativ-Ärzte und -Pflegekräfte, sowie Therapeuten und Seelsorger die Patientinnen und Patienten. Die ehrenamtlichen Hospiz-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter haben Zeit für Gespräche, kleine Handreichungen und Aktivitäten mit dem Kranken, wie Spaziergänge, Singen oder Vorlesen. Oft werden die Angehörigen dadurch etwas entlastet.
Sollte ein Schwerkranker oder eine Sterbende den Wunsch haben, sein Leben durch die Einnahme von Medikamenten zu verkürzen, „halten wir uns dabei heraus, das ist nicht unsere hospizliche Aufgabe“, betont die zweite Koordinatorin, Sabine Nowak. In einzelnen Fällen, in denen dieser Wunsch eine konkrete Form angenommen hat, bleibt das die ganz persönliche Vorstellung und Handlung des Schwerkranken oder Sterbenden. Für eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter, die diese Entwicklung begleiten, sei das möglich, „es muss dann aber auf der persönlichen Beziehungsebene passen“, stellt Beate Frank klar. Die Haltung des deutschen Hospiz- und Palliativ-Verbandes dazu ist allerdings: ein Mensch sollte bis zum Lebensende würdig betreut und behandelt werden; das heißt, ihm im Sterben beistehen – nicht beim Suizid zu helfen. An die Hospizbegleiterinnen und -begleiter wird immer wieder dieser Wunsch herangetragen. Ehrenamtliche Hospiz-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter sind weder fachlich noch rechtlich befugt, diese Hilfestellung zu geben. Sie unterstützen durch menschlichen Beistand und Information.
Im Lauf der Begleitung wird aus dem persönlichen oft ein freundschaftliches Vertrauensverhältnis. Diese Entwicklung bewirkte bis jetzt immer, dass ein starker Suizidwunsch nicht mehr wichtig war, erzählt Beate Frank. Das Wissen um Schmerzfreiheit, es ist jemand da und die Kranken werden nicht allein gelassen – die Gewissheit eines guten Sterbens, egal wie es sein wird, habe diesen Wunsch oft verdrängt. Die Schwerstkranken konnten gut daheim oder in der Pflegeeinrichtung sterben. Es kommt sogar auch öfter vor, dass sie sich in ein stationäres Hospiz verlegen lassen, weil sie dort in dieser letzten Zeit rundum versorgt sind.
Die Hospizmitarbeiterinnen und -mitarbeiter hören in ihren Gesprächen oft den lapidar dahingesagten Satz, „dann bringe ich mich halt um“. Aus der Erfahrung heraus sei das aber ein Hilferuf der Patienten, weil sie Angst vor dem Sterben haben und nicht allein sein wollen. Außerdem schwebe in solchen Aussagen der Wunsch mit, den Angehörigen in der letzten Lebensphase nicht zur Last fallen zu wollen. Das sei dann genau der richtige Zeitpunkt, dass Beate Frank, Sabine Nowak und ihre Kolleginnen und Kollegen ins Spiel kommen: „Nach einer ersten Kontaktaufnahme, sprechen wir mit den Kranken und – ganz wichtig – auch mit den Angehörigen“, erklärt die Koordinatorin den Ablauf. Es gebe allerdings keinen festen Plan, wie der Sterbende begleitet wird, „das ist alles sehr individuell“. Die Ehrenamtlichen sind überkonfessionell und achten die Weltanschauung der Patientinnen und Patienten, „wir wollen niemanden etwas überstülpen“. Es zähle nur das, was ausdrücklich gewünscht oder eben nicht gewünscht werde. Das sei allerdings oft nicht ganz klar, weil die Situation die Menschen überfordere. Zu der ambulanten oder stationären Hilfe käme die palliativmedizinische Versorgung. „Es ist ein großer Wunsch, schmerzfrei zu sterben.“
Nicht nur zu Hause, auch in Pflegeeinrichtungen werden Menschen betreut, denn oft bestehe kein so enger Kontakt mehr mit den Angehörigen, es sind keine mehr da oder in der Nähe, die sich kümmern könnten. „Es solle niemand das Gefühl haben, abgeschoben und vergessen zu sein“, unterstreicht Beate Frank. Es war gerade in der Zeit des Corona-Lockdowns wichtig, dass jemand da war, „das war uns möglich“.
Die Menschen werden mit ihren Alltagsritualen aktiviert, damit sie die letzten Tage so angenehm wie möglich verbringen können, „das entlaste auch die Angehörigen.“ Oft haben die Patienten einen letzten Wunsch, den sie sich erfüllen wollen: Das könne eine letzte Autofahrt mit Stopps an Lieblingsplätzen, eine Fahrt im Rollstuhl durch den Ort oder das Viertel sein. Manche wollen sich ganz bewusst von bestimmten Weggefährten verabschieden. „Diese Wünsche reifen oft auch durch unsere Begleitung“, macht Beate Frank klar. Solche Momente belasteten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, erzählt Sabine Nowak, aber daraus ergeben sich auch viele schöne Situationen, die ihnen dann wieder Kraft für ihre Aufgaben geben.
Im 25. Jahr des Bestehens hat der in Gerabronn ansässige Verein 26 aktive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie erhalten eine Ausbildung: Durch den „Befähigungskurs“ und ein Praktikum können sie sich selbst prüfen, ob sie auch wirklich Sterbende am Bett bis zum Schluss begleiten können und wollen. Oftmals reiche es, dass ein Mensch da ist, eine Geschichte vorliest oder die Hand hält, niemand müsse allein sterben, so die feste Überzeugung der Mitarbeiterinnen. „Die Menschen haben einen 7. Sinn“, ist sich Beate Frank sicher. „Sie merken ohne Worte, ob jemand im Raum ist. Und Berührungen werden bis über den Tod hinaus wahrgenommen.“ Der letzte Lebensabschnitt solle würdevoll, selbstbestimmt und geborgen sein, für die Kranken und deren Angehörige. th
Bild: Beate Frank und Sabine Nowak (von links) ist es wichtig, dass die Sterbenden und deren Angehörige eine würdevolle und selbstbestimme Zeit erleben können. Dafür engagieren sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hospizdienstes Hohenlohe-Franken.