Um die Renovierung des Langenburger Torwachthauses zu finanzieren, lädt Heide Ruopp in das „Steinhaus“ ein. Dabei werden 500 Jahre Geschichte lebendig.
Heide Ruopp kann Menschen begeistern und sie mit auf eine Reise nehmen. Diese einzigartige Gabe nutzt die ehemalige Pfarrersfrau, um die Geschichte ihres Langenburger Hauses im Rahmen der Benefizveranstaltungen zugunsten der Renovierung des Torwachthauses zu erzählen.
Das sogenannte Steinhaus prägt bis heute die Altstadt, seine Ursprünge gehen bis ins 16. Jahrhundert zurück: Auf der Vorderseite sind das Wappen von Graf Wolfgang zu Hohenlohe-Langenburg, seiner Frau, Gräfin Magdalena von Nassau-Katzenelnbogen, und die Jahreszahl 1585 zu sehen. Die hintere Seite des stattlichen Gebäudes wird von einem turmartigen Treppenhaus geprägt, darunter ein großes Tor. „Was sich dahinter wohl verbirgt?“, fragt sie in die Runde der Besucherinnen und Besucher. Eine breite, steile Treppe führt in die Tiefe. In der Mitte sind die Stufen ausgeschlagen, nur am Rande sind sie begehbar. Unten angekommen, öffnet sich ein riesiger Keller: 16 Meter lang, 10,5 Meter breit und – leer. „Das war, wie wir im Hohenlohe-Zentralarchiv herausgefunden haben, ,Unseres gnädigen Herrn Kellerhaus‘, also der Weinkeller von Graf Wolfgang.“
Auf den Stichen des 16. und 17. Jahrhunderts ist klar zu erkennen, wo der Wein herkam, erzählt Heide Ruopp und zeigt die Abbildungen: „Den Bauern wurde ab 1515 auferlegt, sämtliche Südhänge mit Wein zu bepflanzen.“ Da die Langenburger Lage nicht ganz so optimal war, konnte sich der Weinanbau nur bis zum Ende des 19. Jahrhunderts halten. Jetzt ist in dem riesigen Raum nur noch das Pelletlager für die Ruopp’sche Heizung zu finden.
Das mächtige Steinhaus wurde wohl erst im 17. Jahrhundert auf den Keller gebaut, als der damalige Graf Philipp Ernst und seine Nachkommen eine Verwaltung für ihre Grafschaft benötigten. Das Haus betritt man heute von hinten, durch eine Türe, die wohl erst später dort eingebaut wurde: Das Treppenhaus mit seiner Wendeltreppe und den dicken Mauern hat etwas Festungsartiges. Im Erdgeschoss war jahrelang eine Filiale der Volksbank Hohenlohe untergebracht. Beim Einbau ist die ursprüngliche Raumaufteilung verloren gegangen. Im ersten Stock blieb sie dagegen erhalten: Von einem Mittelgang gehen noch heute links und rechts Zimmertüren ab – jeweils in eine Wohnung.
Die Räume wurden im 17. Jahrhundert von den Leitern der gräflichen Verwaltung, meist Juristen, und deren Familien bewohnt. Bei den Umbauarbeiten 2007, als Familie Ruopp das Haus an ihre Bedürfnisse anpasste, entdeckte Sohn Jakob unter der Türschwelle acht Gegenstände: Zwei alte Kinderschuhe, eine Spindel mit Holzscheibe, eine Tonscherbe und drei Tierknochen. „Diese Dinge sprechen zunächst nicht mit uns“, bemerkt Heide Ruopp geheimnisvoll. Ihre Tochter Katharina versuchte, einen Zusammenhang herzustellen. Die Theologin näherte sich den Gegenständen praktisch: Im 17. Jahrhundert gab es eine hohe Kinder- und Frauensterblichkeit und das Ensemble von scheinbar wertlosen Dingen wurde dort wahrscheinlich deponiert, um das Wohlergehen der Hausbewohner sicherzustellen. Denn die Fundstücke repräsentieren die damalige Frauenwelt: Essen, Kochen, Nähen und Kinder. „Nun sprechen die Objekte mit uns“, sagt Heide Ruopp. „Aber wir dürfen das nicht als Aberglauben abtun, denn die Hausbewohner waren ja Juristen und somit die Hüter des Gesetzes – sie mussten jegliche Zauberei hart bestrafen.“ So stehen die Fundstücke aller Wahrscheinlichkeit nach für die brutale Lebenswirklichkeit in dieser Zeit.
Nun kommt ein großer Sprung in die Mitte des 20. Jahrhunderts. In der Küche spielte sich damals ein Familiendrama ab: Heide Ruopp dröselt die Geschichte langsam auf und macht es spannend. Im Haus wohnten, nachdem Langenburg zunächst 1806 württembergisch und dann nach dem Zweiten Weltkrieg zur einfachen Stadt wurde, die Leiter der fürstlichen Forstverwaltung. In den 1950er Jahren verliebte sich der damalige, verheiratete Amtsinhaber in eine aus Langenburg stammende, bekannte Opernsängerin, sie sei die „Liebe meines Lebens“ erzählte er. Die Künstlerin erwiderte seine Gefühle. In der Küche des Steinhauses, beim Frühstück, stellte er seine Frau vor vollendete Tatsachen und forderte die Scheidung. Sie reagierte unwirsch und „zerdepperte“ Porzellan im Spülbecken.
Damit endet Heide Ruopps Parforceritt durch die sehr anschauliche und fesselnd vorgetragene Geschichte des „Steinhauses“. Das Gebäude heißt übrigens wirklich so, weil es lange das einzige Haus in der Langenburger Altstadt war, das aus Stein und nicht aus Fachwerk gebaut wurde.
Damit endete auch die erste Staffel der besonderen Benefizveranstaltungen für die Erhaltung des Langenburger Torwachthauses. „Wir hatten auf die neun Führungen eine sehr gute Resonanz aus Langenburg und von außerhalb“, betont Heide Ruopp. Parallel dazu gab es ein unverhofft hohes Spendenaufkommen. Aus diesem Grund gehen die Führungen weiter und auch für das Frühjahr 2022 sind schon Veranstaltungen geplant. th
Foto: Heide Ruopp zeigt, wo die acht Dinge – Schuhe, Spindel, Scherbe und Knochen – unter der Türschwelle gefunden wurden.