Ebbes aus Hohenlohe
Mischung aus Rock’n’Roll und traditioneller Handarbeit

Mischung aus Rock’n’Roll und traditioneller Handarbeit

Der Weg von der Partnerschaft zur Freundschaft war bei den Wildbakers vorgezeichnet: Jörg Schmid und Johannes Hirth verbindet die Liebe zum Bäckergewerbe. Gemeinsam zogen sie aus, um den altehrwürdigen Beruf zu entstauben und wieder zu dem zu machen, was er Jahrhunderte lang war – ein vielfältiges und innovatives Handwerk.

„Backen an extremen Orten – Wildbakers go!“ Mit diesem Schlachtruf schwingen sich Jörg Schmid und Johannes Hirth auf einen Pickup und zeigen, mit treibender Musik, wie ein guter Flammkuchen bei 100 Stundenkilometern gemeinsam zubereitet wird und auch noch gelingt.

Diese Idee ist nur eine von vielen, die zeigt, dass Bäcker alles andere als „altbacken“ sind: Damit gelingt es den beiden ausgebildeten Bäckermeistern ihr Handwerk in ein neues Licht zu rücken. „Die Liebe zum Handwerk wurde mir in die Wiege gelegt“, berichtet Johannes Hirth, der zusammen mit seinem gleichnamigen Vater eine Bäckerei in Bad Friedrichshall betreibt. Da sich bei einem Familienbetrieb Privates und Geschäftliches vermischten, war er von klein auf mittendrin und sagt: „Auch mein Nachwuchs ist schon mit dabei und versucht Brezeln zu formen.“
Nach der Schule war es für den heute 36-Jährigen selbstverständlich, dass er eine Bäckerlehre absolvierte und sich dann ausprobierte. Schnell war die Leidenschaft für gute Backwaren da und der Beruf machte ihm so richtig Spaß. „Das war das Fundament, darauf ließ sich aufbauen“, schildert er die damaligen Überlegungen. Da er mehr als nur Brot backen wollte, ging er 2008 zur Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim und besuchte dort einen Meisterkurs. „Das war richtiges Karma: Ich setzte mich in der ersten Stunde neben Jörg Schmid aus Gomaringen bei Tübingen, und so lernten wir uns kennen.“ Als er später mit seiner Mutter telefonierte, war das Staunen groß, denn sie hatte am gleichen Tag die Mutter von Jörg Schmid bei einer Veranstaltung der Innung getroffen.
„Nach der Meisterprüfung 2009 war unsere Klappe groß, und wir wollten gemeinsam die Deutsche Bäckermeisterschaft gewinnen“, schildert Johannes Hirth rückblickend die Stimmung. Doch weil sie den renommierten Wettbewerb auf die leichte Schulter nahmen, kamen sie zwar ins Finale, belegten aber „nur“ den vierten Platz. „Unser Ehrgeiz war geweckt, und wer weiß, wie sich alles entwickelt hätte, wenn wir sofort gewonnen hätten.“ Drei Jahre später wollten sie es genau wissen: „Wir hatten noch eine Rechnung offen.“ Sie traten mit einem neuen Konzept an – die Wildbakers waren geboren: Sie wollten mit „Bakertainment“ andere Menschen für das Handwerk, für die Produkte und den Beruf begeistern. Dazu gehören lockeres Auftreten, entspannte Herangehensweise, coole Sprüche, aber auch Können und Fachwissen. Mit dieser Mischung aus Tradition und Moderne sowie mit neuen, außergewöhnlichen Rezepten belegten die beiden 2012 den ersten Platz und können sich seitdem deutsche Meister im Bäckerhandwerk nennen. Der neue, frische Auftritt kam als Werbung für das Handwerk an und die Nominierung zur Bäckernationalmannschaft erfolgte: Sie nahmen bis 2018 an internationalen Wettbewerben und an repräsentativen Veranstaltungen teil.

Flambiertes Brot
Als Wildbakers haben sie Bücher geschrieben: „Von zweien die auszogen, das perfekte Brot zu backen“, in denen sie von Klassikern der Brotbackkunst wie Landbrot oder Baguette zu noch nie gesehenen Rezepten kommen – Rote-Bete-Brot, Bratkartoffelbrot oder der flambierte Chili-Cheese-Twister. Sie treten gelegentlich mit ihrer eigenen Bühnenshow auf, deren neues Programm „Total verbrezelt“ heißt. Dabei setzten sie nicht nur auf Unterhaltung, sondern vermitteln auch Wissen. Auf diese andere Art der Öffentlichkeitsarbeit springen die Medien an: Die beiden Mehl- und Teigzauberer sind regelmäßig Gast in Sendungen oder zeigen, wie gutes Backwerk gelingt. Jörg Schmid und Johannes Hirth machen dabei alles selbst, organisieren ihre Termine und konzipieren die Inhalte.

Handwerkliche Arbeit
Doch die eigentliche Arbeit findet in der heimische Backstube statt: Johannes Hirth leitet seit 2010 die Produktion des elterlichen Betriebs und ist seit 2015 gemeinsam mit seinem Vater Geschäftsführer der Bäckerei – in nunmehr vierter Generation. Das Sortiment wird erweitert, zu den traditionellen Werten kommen moderne Einflüsse. Die Basis sind aber nach wie vor aufwändige Vor- und Sauerteige, die handwerklich verarbeitet und täglich frisch zubereitet werden. Rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in der Produktion und im Verkauf tätig. Neun eigene Filialen, inklusive eines BrotCafés werden jeden Tag mit frischen Backwaren beliefert, dazu kommen anspruchsvolle Großkunden mit ausgefallenen Wünschen und Wiederverkäufer, die teilweise eigene Produktlinien erhalten. „Das sind jeden Tag sechs bis acht Stunden in der Produktion, dazu kommt die ganze Arbeit in der Verwaltung“, zählt der Bäckermeister sein persönliches Programm auf.
Auch wenn die Wildbakers wegen des Berufs und der Familie nicht immer im Vordergrund stehen, Jörg Schmid und Johannes Hirth „hängen viel aufeinander“. Die rund 100 Termine und die 50 bis 60 Kurse im Jahr haben die beiden zusammengebacken: „Aus der Partnerschaft ist eine echte Freundschaft geworden“, beschreibt der Bad Friedrichshaller die Beziehung. „Wir sprechen dabei über wirklich alles.“ Die beiden Freunde haben trotz der vielen Aktivitäten nach wie vor Spaß – „wir müssen uns nicht groß vorbereiten oder gar verstellen, wir sind beide einfach so authentisch, wie wir sind.“
Der Erfolg, den die Wildbakers für die Branche haben, wurde mehrmals gewürdigt: So erhielten sie 2018 den GastroStern verliehen, den üblicherweise nur renommierte Köche erhalten. In der Laudatio beim Förderpreis der genossenschaftlichen FinanzGruppe der Volksbanken Raiffeisenbanken hieß es 2021: Bei ihren Backshows „kombinieren sie echtes Know-how mit hohem Unterhaltungswert, erstellen kreative Backwaren und erschaffen einen einzigartigen Brotkult. Mit dieser neuen Interpretation wollen sie vor allem das Bäckerhandwerk bekannter und moderner machen und den Nachwuchs für diesen Beruf anregen.“ Johannes Hirth war sehr begeistert: „Dieser Preis hat uns sehr gefreut. Die Verleihung war eine echt coole Sache.“
Da die Suche nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schwierig ist, hat sich die Familie während der Pandemie stark um ihre Angestellten gekümmert: Es wurde niemand entlassen und die Kollegen wurden durch Sonderzahlungen am Erfolg beteiligt: „Wir geben etwas zurück“.

Foto: Johannes Hirth (links) und Jörg Schmid kombinieren das traditionelle Handwerk mit neuen Ideen.

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