Ebbes aus Hohenlohe
Fluchtburg für Bewohner  von Unterregenbach

Fluchtburg für Bewohner von Unterregenbach

„Hacke und Schaufel sind unser alltägliches Werkzeug“, betont Doktorand Moritz Foth, der die archäologische Grabung an der „Alten Burg“ oberhalb von Unterregenbach leitet. „Die oft gezeigten Pinsel kommen bei uns nur sehr selten zum Einsatz.“ In den letzten Wochen haben insgesamt 14 Personen versucht, der Fläche mit einer vermuteten mittelalterlichen Befestigungsanlage weitere Geheimnisse zu entlocken.

Zum Hintergrund: In dem kleinen Ort bei Langenburg im Jagsttal wurden bei mehreren Ausgrabungen seit dem 19. Jahrhundert Überreste einer außergewöhnlich großen Kirche, der Vorgängerbauten der heutigen Pfarrkirche, eines möglichen Herrensitzes und einer alten Befestigungsanlage auf einem Bergsporn beim Falkenhof entdeckt. In welchem Zusammenhang diese Funde aus dem achten bis dreizehnten Jahrhundert stehen, ist Thema einer Doktorarbeit, an der Moritz Foth derzeit arbeitet. In diesem Kontext stieß er auf sogenannte Lesefunde von der Alten Burg aus dem 14. Jahrhundert und entdeckte auffällige Bewuchsmerkmale im Luftbild, die Hinweise auf bislang unbekannte Strukturen gaben. Daraufhin hat die Stiftung „Archäologische Erforschung Unterregenbach“ von Christian Neuber im Frühjahr eine geophysikalische Untersuchung der Fläche ermöglicht. Dabei sind neue Hinweise auf bisher unbekannte Strukturen im Boden gefunden worden. In Zusammenarbeit mit der Universität Tübingen und dem Landesamt für Denkmalpflege haben nun Grabungen stattgefunden.

Der Flurname „Alte Burg“ oder „Altenberg“ gibt schon einen Hinweis darauf, dass sich auf der Fläche eine Befestigungsanlage befunden haben könnte, erklärt Moritz Foth. Wie alt die Anlage ist und welche Vorgeschichte sie hat, war allerdings lange in Diskussion. Drei Stellen, die sich bei der geophysikalischen Untersuchung als besonders interessant herausgestellt haben, wurden in den letzten Wochen näher untersucht: Wall und Graben der Anlage waren in den 1970er-Jahren noch deutlich in der Landschaft zu erkennen, als dort das erste Mal Archäologen am Werk waren. Letzterer diente auch als Grenze zwischen den Gemarkungen Unterregenbach (Kreis Schwäbisch Hall) und Laßbach (Hohenlohekreis). In der Zwischenzeit ist er durch die landwirtschaftliche Nutzung der Fläche fast nicht mehr wahrnehmbar.

Im Zentrum der Befestigungsanlage zeichnet sich im Boden eine Anomalie ab, die auf eine Bebauung hindeuten könnte, erzählt der Doktorand. Bei der Grabung wurden allerdings keine Hinweise darauf gefunden, „wir vermuten, dass es sich um einen natürlich verfüllten Erdfall handelt“. In verkarstetem Gebiet können sich zahlreiche solcher Senken bilden. „Letztlich muss ein geophysikalischer Anhaltspunkt ausgegraben werden, und wenn er dann zu keinem Ergebnis führt, ist auch das ein Befund“. Auf diese Weise wurde allerdings der bisherige Stand der Forschung bestätigt, dass es sich primär um eine Fluchtburg handelte.

Moritz Foth (hinten rechts) bespricht mit zwei Studenten die weitere Vorgehensweise bei der Grabung am Brennofen.

Bei einer weiteren, nachgewiesenen Anomalie im Boden, westlich vor der Befestigungsanlage, haben die Grabungsteilnehmerinnen und ‑teilnehmer eine bronzezeitliche Kulturschicht entdeckt. Bereits zwischen 2200 und 800 vor Christus müssen hier Menschen gelebt haben – für diesen Platz ein Novum. Neben zahlreichen Keramikscherben, die von Gefäßen stammen, wurde eine Pfeilspitze aus Feuerstein gefunden.

Ein Grabungsschnitt direkt am Burggraben, förderte einen Brennofen ans Tageslicht. „Er wurde wahrscheinlich nicht zum Brennen von Keramik genutzt, sondern zum Brennen von Kalk.“ Dieser Rohstoff könnte dann beim Bau der Befestigungsmauer verwendet worden sein, „das ist unser spannendster Befund“. Außerdem wurden eine Keramikscherbe aus dem 13. oder 14. Jahrhundert und eine Eisenpfeilspitze aus dem Frühmittelalter entdeckt. Bei dem rund fünf Meter breiten und zwei Meter tiefen Schnitt haben die Archäologinnen und Archäologen den Aufbau des Grabens studieren können: Er war zwei Meter tief und bis zu acht Meter breit. Der Bau wurde flach aus dem Gestein geschlagen und dann als Spitzgraben ausgeführt, wie es um die vermutete Entstehungszeit im Frühmittelalter üblich war. Danach folgte eine ebenfalls typische Holz-Steine-Konstruktion, die nachfolgend von zwei Mauern ergänzt bzw. ersetzt wurde: Die Erbauer schichteten zunächst aus Steinen eine Trockenmauer auf, über die sie später eine zwei Meter starke Mörtelmauer setzten – dabei wurde wahrscheinlich der vor Ort gebrannte Kalk als Verbindungsmaterial verwendet.

„Die Anlage zeigt insgesamt, dass sich die Konstrukteure damals viel Mühe gegeben haben, und die Menschen ein immanentes Schutzbedürfnis hatten“, interpretiert der Mittelalterfachmann die Erkenntnisse. An der rund 200 Meter langen Befestigung wurde über Jahre gearbeitet. Der Bergsporn über Unterregenbach bietet sich durch die Geografie für einen sicheren Rückzugsort an: An zwei Seiten fällt das Gelände steil ab und musste nur einfach befestigt werden. Nach Westen, zur Hochfläche hin, war die stärkere Befestigung nötig. „Der Schutzbau dürfte auch eine repräsentative Funktion gehabt haben – sie war damals sicherlich schon von Weitem zu sehen“, mutmaßt Moritz Foth. Dennoch deuten die ganzen Erkenntnisse auf eine primär als Fluchtburg genutzte Anlage für die Bewohnerinnen und Bewohner Regenbachs hin. Doch welche Funktion die Bauten im Tal hatten – Herrschaftssitz, Kloster oder Stift – und wer dort lebte, ist nach wie vor nicht bekannt.

Das Interesse an der vierwöchigen Grabung war groß: Menschen aus Unterregenbach und der Umgebung ließen sich vor Ort die Arbeiten erklären. Zur Führung als Rahmenprogramm zur Sonderausstellung „Über 1000 Jahre Unterregenbach – Auf archäologischer Spurensuche“ im Hällisch-Fränkischen-Museum (HFM) in Schwäbisch Hall kamen überraschend viele Besucherinnen und Besuchern auf die „Alten Burg“.

Als nächste Schritte stellt sich Moritz Foth eine naturwissenschaftliche Untersuchung der Fundstücke vor: Das Alter der Holzkohle aus dem Brennofen könnte mit der C14-Methode datiert werden. Ein weiterer Ansatz wäre der Mörtel der Mauer und der gefundene gebrannte Kalk: Bestehen sie aus dem gleichen Material? Der Doktorand ist motiviert: „Diese ganzen Erkenntnisse erhellen die Geschichte der Anlage und wir werden das Thema beispielsweise mit zusätzlichen Grabungen weiter verfolgen.“ th

Foto: Der Bergsporn mit der Fluchtburg befindet sich direkt oberhalb von Unterregenbach im Tal. Rechts vorne ist das Zelt beim Kalkbrennofen zu sehen. In der Mitte die Ausgrabung, die einen Erdfall zutage förderte.

Zur Info:

Die Ausstellung „Über 1000 Jahre Unterregenbach – Auf archäologischer Spurensuche“ im Hällisch-Fränkischen-Museum in Schwäbisch Hall (Keckenhof 6) zeigt noch bis 29. Oktober 2023 in verschiedenen Räumen die bisherigen Erkenntnisse der Grabungen in Unterregenbach. Der Eintritt ist frei.
Den noch offenen Fragen geht am 6. und 7. Oktober 2023 eine hochkarätig besetzte Tagung auf den Grund: In den Vorträgen werden unter anderem neue Forschungsergebnisse über die Abstammung von vier gefundenen Skeletten vor-gestellt. In der Schwäbisch Haller Hospitalkirche werden außerdem ausführlich die Erkenntnisse der Grabung präsentiert.

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